Mirabel-et-Blacons - Faucon, 94 km, 1200 Hm
Provence wir kommen!
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Heute ist es den ganzen Tag trocken. Die Temperaturen liegen, bis auf eine kurze Ausnahme, über 20°C. Durch einen zum Teil starken Nord-West-Wind fühlte es sich aber einige Grad kälter an.
Morgens sieht es erst noch durchwachsen aus. Es ist trocken, der Himmel macht aber noch keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck. Es geht flach nach Aouste-sur-Sye und weiter über die sehr ruhige D70 durch den ursprünglichen Foret de Saou (Foret = Wald) nach Saou. Der Wald steht unter Schutz und beherbergt auffällig viele Eichen. Auch Orchideen können wir identifizieren. Wir überqueren den 416m hohen Pas de Lauzens. Saou ist ein schöner kleiner Ort. Es ist gerade Markt. Da wir früh dran sind, gönnen wir uns eine Kaffee-Pause im Café. Die Bedienung ist eine ganze Weile damit beschäftigt Papiertischdecken auf den Tischen zu verteilen. Bei dem starken Wind kein ganz einfaches Unterfangen. Wir fragen uns durchaus, ob die Übung überhaupt Sinn macht.
Weiter geht es durch das ruhige Tal des Baches Roubion auf der D538 und D70 nach Süd-Osten. Es sind viele Gruppen von Rennradfahrern unterwegs. Das Tal wird landwirtschaftlich genutzt. Getreidefelder, Viehwiesen (Kühe, Schafe), Olivenhaine, Weinstöcke und Lavendelfelder bestimmen das Bild. Im Hintergrund ragen auf beiden Seiten bis zu 1000m hohe, mit gelbem Ginster bewachsene Berge auf. Die Dörfer die wir passieren haben eine deutlichh mediterrane Note. Über den 790m hohen Col de la Sausse verlassen wir das Tal. Es folgt die Abfahrt durch die schöne Gorges de Trente-Pas.
In La Bonté erreichen wir das Tal des l`Eyges und die D94. Dort wird der Verkehr etwas stärker, liegt aber immer noch im grünen Bereich. Der Himmel ist noch immer bedeckt. Unsere nächste Station ist Nyons. Die Stadt besitzt eine nette Altstadt, in der wir ein wenig Zeit verbringen und einen großen Intermarché, in dem wir einkaufen.
Die D538 Richtung Vaison-la-Romaine ist merklich verkehrsreicher. Wein und Lavendel bestimmen das Bild. Da wir weiterhin Rückenwind haben geht es zügig voran. Wenige Kilometer vor Vaison-la-Romaine biegen wir links auf die D40 ab. Kurz vor Faucon liegt unser Tagesziel. Der Campingplatz ist schön in einem Kiefernwald gelegen und wieder hervorragend ausgestattet. Wie gestern dominieren niederländische Nummernschilder das Bild. Nachdem das Zelt steht, statten wir Vaison-la-Romaine einen Besuch ab. Endlich kommt auch die Sonne raus. In der Stadt sind noch Zeugnisse ihrer römischen und mittelalterlichen Geschichte erhalten. Wir schlendern durch die engen und steilen Gassen der gut erhaltenen, auf einem Hügel erbauten, mittelalterlichen Altstadt.
Faucon - Villes-sur-Auzon, 82 km, 1090 Hm
Der Mistral kommt.
Ein neuer Mitspieler betritt die Bühne. Der Mistral bläst mit 35-40 km/h - in Böen auch deutlich darüber - aus Nord-West. Auf den ersten Kilometern schiebt uns der Wind. Die Temperaturen von 15-17°C sind weniger angenehm, auch weil es sich durch den starken Wind deutlich kühler anfühlt. Der Gipfel des Mont Ventoux ist in Wolken gehüllt, als wir ihn auf der D40 passieren. Im Norden ragt der Mont Ventoux steil auf, die Landschaft ist geprägt von Mischwäldern. Eichen, Kiefern und Linden können wir erkennen. Altostratus (mittelhohe Schichtwolken) stauen sich vor dem 1912m hohen Berg und verdecken die Sonne. Angenehm ist hingegen das sehr geringe Verkehrsaufkommen.
In Savoillan finden wir einen kleinen aber sehr guten Bäcker. Wir haben den Eindruck, dass die Menschen aus der Umgebung in diesen kleinen Ort kommen, um hier Ihr Sonntagsbaguette zu kaufen.
Nächste Station ist Montbrun-les-Bains, das zu den schönsten Dörfern Frankreichs zählen soll. Wir halten das für etwas übertrieben. Der Ort ist nett, hat viele gut erhaltene alte Häuser und die Lage ist unbestritten auch sehr reizvoll. Trotzdem hätten wir bei dieser Auszeichnung mehr erwartet.
Über Aurel geht es weiter nach Sault. Hier zeigt sich die Sonne wieder. Dafür haben wir den Wind jetzt volle Breitseite von Rechts, wodurch die gefühlte Temperatur fast unverändert bleibt. In Sault wurde heute Morgen ein Amateurradrennen auf den Mont Ventoux gestartet. Noch immer stehen Dixi-Toiletten und Absperrgitter am Straßenrand. Das deutlichste Anzeichen sind aber die vielen Rennradfahrer und Autos mit Fahrradträgern aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland.
Von Sault aus geht es westwärts durch die Gorges de la Nesque. Die Sonne scheint jetzt von einem tadellos blauen Himmel, das Thermometer zeigt 26-27°C an. Der Wind kommt direkt von vorn, sodass es sich weiterhin frisch anfühlt. Die Gorges de la Nesque ist eine spektakuläre, tiefe und weite, bewaldete Schlucht. Die Straße verläuft weit oberhalb des Flusses und fällt langsam von 800m auf 250m ab. Die Ausblicke, vor allem im oberen Abschnitt, sind sensationell. Dutzende Rennradfahrer begegnen und überholen uns. An einem Aussichtspunkt treffen wir einen US-Amerikaner, der eine Geschäftsreise um das Wochenende und zwei weitere Tage verlängert hat, um die Gegend mit den Fahrrad zu entdecken. Auch wir kommen vor lauter entdecken und fotografieren kaum voran.
Auf dem Zeltplatz in Villes-sur-Auzon stellen wir unser Zelt im Windschutz einer Hecke auf. Platznachbarn aus Starnberg füllen unseren leeren Salzstreuer gerne auf. Tipps für die morgige Fahrt auf den Mont Ventoux geben sie uns gleich mit dazu. Dessen Gipfel ist noch immer in Wolken gehüllt. Nach diesem windigen Tag fällt es uns leicht zu glauben, dass sich der Name des Berges von Mons Ventosus (lat. Windiger Berg) ableitet.
Villes-sur-Auzon - Sault, 62 km, 1860 Hm
Der Mont Ventoux.
Heute meint es das Wetter gut mit uns. Die Sonne scheint von einem blauen Himmel, es ist weitgehend windstill und die Temperaturen bewegen sich im mittleren 20 Grad Bereich.
Über Flassan fahren wir nach Bédoin. Dort startet der "offizielle" Anstieg zum Mont Ventoux, also der, den auch die Tour de France nimmt. In Bédoin ist gerade Markt. Die Straße ist über und über voll mit Ständen, die allerlei regionale Produkte anbieten. Schiebend erreichen wir das Schild, das besagt, dass Bédoin auf 309m liegt und der Gipfel des Mont Ventoux auf 1909m. Los geht's!

Die ersten Kilometer sind noch moderat, ab Saint Esteve liegt die Steigung dann durchgängig zwischen 7 % und 10 %. Die Straße führt lange durch Kiefernwald, der Schatten spendet. Wir kommen mit dem schweren Anstieg erfreulich gut klar. Einige Rennradfahrer ziehen an uns vorbei, sonst ist der Verkehr mal wieder sehr moderat und die Rücksichtnahme vorbildlich. Immer wieder schmücken die Namen der Tour-Helden die Straße. Schon früh können wir den Gipfel sehen.
Nach rund 15 Kilometern stößt die D164 aus Sault auf die D974 aus Bédoin. An der Kreuzung liegt das 1927 erbaute Chalet Rybard. Vor dem Restaurant stehen in langer Reihe Fahrradständer. Wir machen eine kurze Rast, stärken uns mit Bananen und Keksen. Mittlerweile bläst ein steifer Wind aus Osten. Für die letzten 472 Höhenmeter ziehen wir Windweste und Armlinge an. Wenige Meter oberhalb des Chalets ist es vorbei mit den Bäumen. Von hier an ist der Mont Ventoux eine Steinwüste. Das war nicht immer so. Das Kalkschotterfeld wurde erst durch die Rodung des ehemals üppigen Baumbestandes zum Bau der Seeflotten des Ancien Régime freigelegt.
Am Straßenrand sitzen an drei Stellen professionelle Fotografen, die Bilder von den vorbeikommenden Radfahren machen. Spätestens jetzt begreifen wir die Dimension dieses Mekkas der Rennradfahrer. Mit unseren voll beladenen Rädern fallen wir zwischen all den leichten Rennrädern richtig auf und ernten einige anerkennende Kommentare wie "ihr seit ja verrückt". Die Beine machen immer noch locker mit. Nur bei Tempoverschärfungen, um ein paar Meter für ein Foto raus zu fahren, merken wir schnell wo das Limit ist.
Kurz vor dem Gipfel steht der Gedenkstein für den englischen Radprofi Tom Simpson, der hier am 13. Juli 1967 während der Tour de France, erschöpft zusammenbrach und starb. Todesursache war eine hohe Dosis Amphetamine und wohl auch Alkohol. Vor dem Gedenkstein liegen Trinkflaschen, Blumen, ein Helm und ein Lenker.
Dann noch 1500m und wir haben es geschafft. Oben ist richtig was los. Es wimmelt geradezu von Rennradfahrern und ihren motorisierten Begleitern. Da ein kalter Wind bläst, stürzen wir uns nach kurzem Aufenthalt in die Abfahrt. Insbesondere bis zum Chalet kann man es gut laufen lassen. Weiter unten wird der Belag rauer. Gut 3 Stunden haben wir für den Aufstieg gebraucht, in einer Stunde sind wir wieder unten.
In Sault ist es wieder warm, der Wind bläst aber immer noch frisch. Wir setzen uns in den Windschatten einer Mauer in die Sonne und futtern unsere letzten Vorräte auf. Der Campingplatz liegt gut 1 Kilometer östlich von Sault. Der sehr weitläufige Platz liegt in einem Kiefernwald. Es ist gar nicht einfach eine einigermaßen ebene Stelle für das Zelt zu finden. Der Pflegezustand des Platzes ist nicht so toll. Da kaum was los ist, "leihen" wir uns Tisch und Stühle von einem verlassenen Dauercamper-Platz aus. Damit wandern wir den Rest des Nachmittags der Sonne hinterher. Wir kommen mit einer jungen Radlerin aus Regensburg ins Gespräch, die in drei Monaten von Gibraltar nach Hause radelt. Auch sie hatte zwischenzeitlich mit dem schlechten Wetter zu kämpfen. Des Abends fahren wir noch zum nahen Supermarkt, der wie üblich den größten Teil des Nachmittags geschlossen hatte.
Sault - Étang de la Bonde, 80 km, 860 Hm
Endlich Sonne und Wärme!
Geht doch! Morgens beim Frühstück ist es noch etwas frisch, schon kurz nach dem wir auf den Rädern sitzen wird es wärmer und wärmer.

Von Sault aus fahren wir auf der D943 nach Süden. Nach einigen Kilometern bergab, geht es einen kleinen Hügel rauf. Die Landschaft ist ein Wechsel aus Getreide- und Lavendelfeldern, Kiefern- und Eichenwald. Im Nordwesten bleibt der Mont Ventoux noch lange in Sicht. Die Böden sind vielerorts sehr steinig, die Erde rötlich. Uns fallen die vielen Schmetterlinge auf, auch Grillen oder Zikaden hören wir häufig.
Mitten im Foret de Javon, direkt an der D943, liegt das trutzige Chateau Javon. Der viereckige Sandsteinbau mit seinen vier Türmchen stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die folgende Abfahrt führt durch eine schöne Schlucht - die Combe de la Sigaliere. Bei Lioux endlich das erste blühende Lavendelfeld. Auch hier flattern unzählige weiße Schmetterlinge rum. Wir machen einen ausgiebigen Fotostopp. Ich bemühe mich ein vernünftiges Foto eines Schmetterlings zu bekommen, was bei Jörg den Eindruck erweckt, ich mache eine Fotosession mit einem Modell. Auf der folgenden Strecke bestimmen mehr und mehr Weinstöcke das Bild.
Gegen Mittag erreichen wir Roussillon. Der Ort ist der erste mit einem nennenswerten Touristenaufkommen auf unserer Tour. Die Temperaturen sind mittlerweile auf Werte jenseits der 30°C-Marke geklettert. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und machen erstmal Mittag - wie häufig mit ganz frischem Baguette. Roussillon ist vor allem bekannt für seine ockerhaltige rote Erde, die als Rohstoff zur Herstellung von Farben verwendet wird. Bereits die Römer, die das Dorf vicus russulus (rotes Dorf) nannten, bauten hier Ocker ab. Für die Besichtigung der Ockerbrüche werden moderate 2,50? Eintritt pro Nase fällig. Zwei unterschiedlich lange Wege stehen zur Auswahl. Die Anzahl der Besucher ist überschaubar und erlaubt ungestörtes Erkunden. Die Formen und Farben der Ockerfelsen sind überraschend vielfältig. Ihre Lage in einem Kiefernwald vermittelt ein naturnahes Erlebnis.
Auf dem Weg nach Bonnieux überspannt die Pont Julien den Calavon. Die Brücke war Teil der Via Domitia, einer römischen Straße, die Narbonne mit Turin verband. In Bonnieux gönnen wir uns ein Eis. Uns fällt auf, dass einerseits in vielen Orten einige Häuser baufällig wirken und Häuser zum Verkauf stehen. Andererseits etliche Immobilienmakler Objekte zu horrenden Preisen anbieten.
Auf der D943 nach Lourmarin ist seit langem mal wieder nennenswerter Verkehr zu verzeichnen. Die Straße führt durch ein waldreiches Gebiet, es duftet nach Kiefern. Wir durchqueren die Combe Lourmarin, die im Vergleich mit vorangegangenen Schluchten weniger spektakulär ist, sondern "nur" sehr schön - mit der Zeit wird man anspruchsvoll :-)
Von nun an geht es Richtung Osten, parallel zum Gebirgszug des Grand Luberon im Norden. Die Landschaft wird bestimmt von Wein und den sanften, bewaldeten, bis zu 1100m hohen Bergen des Luberon. Die Dächer von Cucuron erlangten durch den Film "Der Husar auf dem Dach" Berühmtheit. Allen Orten auf der heutigen Etappe können wir einen schönen und gut erhaltenden Ortskern attestieren.
Nach einem Abstecher zur Festung in Ansouis fahren wir auf kleinen Feldwegen zum Étang de la Bonde (Etang = Teich). Der Campingplatz liegt auf der Westseite des Sees und ist mit einem gut sortierten Laden ausgestattet. Wir nehmen ein erfrischendes Bad. Vor dem Abendbrot gibt es noch eine klebrige Überraschung. Der Deckel unseres Nutellaglases hat nicht dicht gehalten. Die weich gewordene Nuss-Nougat-Creme hat sich auf alles in seiner Umgebung verteilt. So besteht der Nachtisch heute aus 500g Nutella.
Étang de la Bonde - Lac de Sainte-Croix, 104 km, 1600 Hm
Eine abwechslungsreiche und lange Etappe.
Weinstöcke, Getreide-, Lavendel- und Gemüsefelder, Eichen- und Kiefernwald wechseln einander ab. Dazwischen immer mal wieder ein nettes Dorf. Die Sonne scheint bis in die Nachmittagsstunden heiß vom blauen Himmel.

Unsere erste Station ist der auf einem Hügel gelegene Ort Grambios. Bis dort hin bestimmt Wein das Bild. Es geht weiter über die D122 durch den Crete de la Sarriere nach La Bastide-des-Jourdans. Dieser steinige Wald beheimatet neben Eichen und Kiefern einen Baum mit dicken, dunkelgrünen Blättern den wir nicht kennen. Von La Bastide-des-Jourdans geht es auf der D956 lange moderat bergauf. Die Straße führt durch einen Eichen- und Kiefernwald. An einigen Stellen sind die Folgen eines länger zurückliegenden Waldbrandes zu erkennen.
Manosque ist eine nette Kleinstadt, in der zur Abwechslung mal was los ist. Die Altstadt hat die Form einer Birne. Wo früher die Stadtmauer stand, verläuft heute eine belebte Ringstraße. Wir betreten die Altstadt durch die Porte Saunerie (das Salztor) im Süden und finden vor der Kirche Saint-Sauveur mit gotischem Portal ein schönes Plätzchen für die Mittagspause. Matthias aus Köln gesellt sich zu uns. Sein Rad ist schwer beladen. Auf seiner Tour durch die Alpen hatte er nicht viel Glück mit dem Wetter. Auf unserer Tour durch die sehenswerte Altstadt werden wir kurze Zeit später von einem Paar angesprochen, das in Saint-Paul-sur-Ubaye am Fuße des Col du Vars lebt. Auch sie sind begeisterte Radfahrer, haben vor einigen Jahren eine lange Tour durch Südamerika gemacht. Wir trinken noch einen Cappuccino, bevor wir auf der Ringstraße nach der richtigen Ausfahrt suchen. An einem Briefkasten werden wir von Chris angesprochen. Chris ist großer Jan Ulrich und Rudi Altig Fan. Er füllt unsere Flaschen auf und meint, wenn wir was bräuchten sollen wir ihm eine Email schreiben.
Die ersten Kilometer aus Manosque raus sind verkehrsreich. Auf halbem Weg nach Valensole (vom lateinischen vallis = Tal und solis = Sonne, also Tal der Sonne), wird es wieder schön und ruhig. Getreide- und Lavendelfelder bestimmen die Landschaft. Valensole ist ein typisches provenzialisches Dorf mit Häusern aus den vergangenen Jahrhunderten. Auf dem Weg nach Riez sehen wir vermehrt Oliven-Haine. Die Straße ist weiterhin ruhig und sehr hügelig.
Nach Riez beginnt es sich zu bewölken. Es geht mal wieder bergauf und wir spüren erste Ermüdungserscheinungen. In einer kurvenreichen Abfahrt geht es nach Moustiers-Sainte-Marie. Der Ort ist ausgesprochen schön und liegt spektakulär direkt unterhalb senkrechter Felswände. Moustiers-Sainte-Marie hat sich voll und ganz dem Tourismus verschrieben. Unsere Sache ist das nicht. Dementsprechend fällt unser Aufenthalt eher kurz aus. Es geht weiter bergab. Es ist schon spät am Nachmittag, als wir endlich den Lac de Sainte-Croix erreichen. Eine atemberaubende Landschaft breitet sich vor und aus. Hinter dem Stausee ragen bis zu 700m hohe steile Felswände auf, die zum See hin flacher werden und bewaldet sind. Eine Brücke überspannt den Fluss Verdon, der den See speist und der dahinter liegenden Schlucht ihren Namen gibt.
Der Campingplatz liegt nur wenige hundert Meter östlich der Brücke. Er ist riesig, erstreckt sich weit den Hügel hinauf. Wir suchen uns ein Plätzchen mit Blick auf den See aus. Mit lautem Donner zieht ein Gewitter aus der Schlucht in Richtung See. Wir kochen unter dem Vordach eines Sanitärhäuschens, das nur noch zur Hälfte in Funktion ist. Als wir mit dem Abendbrot fertig sind, ist das Gewitter durchgezogen. Eine Stunde später kommt die Sonne wieder raus.
Lac de Sainte-Croix - Chalet CAF de la Maline, 78 km, 2050 Hm
Die Gorges du Verdon.
Die Umrundung der großen Verdonschlucht bei gutem Wetter ist heute unsere traumhafte und anstrengende Tagesaufgabe.
Vom Lac de Sainte-Croix (500m) geht es auf der D19 den Berg hoch nach Aiguries. Es ist noch früh am Morgen und angenehm kühl. In Aiguries versorgen wir uns beim Bäcker und in dem kleinen Markt für den Tag. Die Straße führt weiter bergauf, bis auf 1200m. Die Ausblicke werden immer spektakulärer. Erst haben wir eine herrliche Aussicht über den See nach Westen. Ab dem 967m hohen Col d'Illoire kommen wir beim Blick auf und in den Grand Canyon du Verdon aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Natur hat hier wahrlich ein Monument geschaffen.
Im Trias und im Jura ist die heutige Provence mehrfach von Meeren bedeckt. Es lagern sich verschiedene Schichten von Kalk ab. In der Kreidezeit falten sich die Alpen auf, die Kalkmassive werden angehoben, zerbrechen und bilden Täler. In dieser Zeit suchte sich auch der Fluss Verdon sein Bett. Im Quartär überformen eiszeitliche Gletscher die Landschaft. Am Ende der Vereisung nehmen die Flüsse ihre Erosionstätigkeit wieder auf. Bedingt durch die Eisschmelze sind die Wassermengen gewaltig und ermöglichen die tiefen Einschnitte im weichen Gestein.
Die 21 Kilometer lange Gorges du Verdon ist neben der Tara-Schlucht in Montenegro einer der größten Canyons Europas. Die Schlucht ist am Grund zwischen 6m und 100m breit. Die gegenüberliegenden Flanken sind zwischen 200m und 1500m voneinander entfernt. Die Tiefe variiert zwischen 250m und 700m. Wo die Felsen nicht gerade senkrecht abfallen haben sich Bäume angesiedelt. Unten schlängelt sich der mittlerweile gezähmte Verdon als türkis-blaues Band durch die Schlucht.
Der Verkehr ist selbst hier sehr moderat. Die Kennzeichen sind ein bunter Mix aus halb Europa. Neben Niederländern, Belgiern und Deutschen sehen wir Italiener, Schweizer, Österreicher, Tschechen, Polen, Norweger und Finnen. Gefesselt von der Landschaft sind selbst die Motorradfahrer meist sehr langsam unterwegs. Eine Gruppe Rennradfahrer aus Bayern zieht langsam an uns vorbei.
Vom höchsten Punkt geht es in zwei großen Wellen bergab. Das Wetter und die außergewöhnlich schöne Landschaft "zwingen" uns immer wieder zu Fotostopps. In Trigance, am östlichen Ende der Gorges du Verdon, machen wir Mittag. Da es heute keine Einkaufsmöglichkeit mehr gibt schonen wir unsere Vorräte. Beim Bäcker kaufen wir Brot für zwei Tage. Unser Mittagessen besteht aus Pizzastücken, Sandwiches und süßen Stückchen vom Bäcker.
Es geht wellig weiter. Die Landschaft ist vorübergehend nicht mehr ganz so spektakulär. Auf der D23, der Routes des Cretes, wird es nochmal richtig anstrengend. Über mehrere Kilometer steigt die kleine Straße bis zu 10% steil bis auf 1300m an. Die Ausblicke sind wieder atemberaubend. An einem der zahlreichen Aussichtspunkte seilen sich Kletterer an einem senkrechten Felsen ab. Am bisher makellosen Himmel sind einige Wolken aufgezogen.
Die Abfahrt zum Chalet de la Maline ist eine Einbahnstraße. Die Schutzhütte des CAF (Club Alpine Francais, Vereinigung der Bergsteigerverbände in Frankreich) liegt auf 893m und ist direkt am Rand der Schlucht erbaut. In 4 Mehrbettzimmern und 2 "Schlafsälen" können insgesamt 59 Personen übernachten. Die Übernachtung ist mit 14? pro Person sehr günstig, mit Abendbrot und Frühstück werden 36? fällig. Wir kommen - ohne vorherige Anmeldung - für die nächsten zwei Nächte in einem der Sechsbettzimmer unter. Heute Abend kochen wir unser Essen selber - im Eingang der alten Hütte. Am Abend genießen wir den genialen Ausblick von der Terrasse. Es ist wieder sonnig und warm.
Gorges du Verdon, Wanderung auf Sentier Martel, 15 km
Die Wanderung durch die Gorges du Verdon eröffnet uns neue Perspektiven.
Wir stehen früh auf und frühstücken auf der Terrasse. Die anderen Gäste schlafen noch. Um 8 Uhr brechen wir zur Wanderung auf dem Sentier Martel (Sentier = Fußweg) zum Point Sublime (sublime = erhaben) auf. Wir scheinen die Ersten zu sein, die sich heute auf den Weg machen. In den frühen Morgenstunden sind wir lange allein unterwegs. Vom Chalet de la Maline geht es in Serpentinen runter zum Grund der Schlucht. Es ist noch angenehm kühl. Im Wald hören wir Tiere.
Am Verdon angekommen verläuft der schmale Weg meist in Sichtweite des Flusses stromaufwärts. Große Teile des Weges verlaufen im Wald. Dies erklärt auch, warum der Weg von oben fast nicht zu sehen ist. Durchaus anspruchsvoll geht es immer wieder steil auf und ab. Lose Stellen, große Steine, Stufen und Wurzeln erfordern ständige Aufmerksamkeit beim Gehen. Die neue Perspektive auf die Schlucht versetzt uns immer wieder in Staunen und Ehrfurcht. Von unten aus haben wir eine ganz andere Wahrnehmung von der Tiefe der Gorges du Verdon. Die Vielfalt der Landschaft ist erstaunlich.
Den Abstecher zur Breche d`Imbert finden wir nicht ganz so lohnend. Der große Stein bietet sich allerdings für eine erste Pause an. Zurück auf dem Hauptweg hat eine Gruppe aus Deutschland zu uns aufgeschlossen. Einige Kilometer später erreichen wir eine Stelle, an der das Ufer des Verdon über einen "Kiesstrand" zugänglich ist. Dort legt die Gruppe ihre Mittagspause ein und wir sind wieder weitgehend allein.
Langsam wird es heiß in der Schlucht. Wir haben je 2 Liter Wasser dabei. Dies wird als Mindestmenge empfohlen, was wir aus unserer Erfahrung bestätigen können.
Es folgen einige anspruchsvolle Passagen. Die Überquerung eines Schotterfeldes erfordert Trittsicherheit. Auf einer steilen Treppe mit 200 Stufen ist Schwindelfreiheit gefragt. In einer steilen Passage sind Metallgriffe zur Sicherung angebracht.
Auch Nachmittags kommen uns immer wieder Wanderer entgegen. Wann die wohl das Chalet de la Maline erreichen?
Kurz vor Schluss sind zwei unbeleuchtete Tunnel zu durchqueren. Der Zweite ist respektable 700m lang. Am Boden hat sich in ausgedehnten, einige Zentimeter tiefen Pfützen Wasser angesammelt. Jörg versucht trockenen Fußes hindurch zu kommen, ich mache mir diese Mühe erst gar nicht. Am Ende des Tunnel haben wir beide nasse Schuhe und Socken.
Nach gut 7 Stunden erreichen wir Point Sublime. Unser Flaschen sind leer. Wir stärken uns mit Baguette und einem fast flüssigen Camembert. Ein kurzes Gewitter zieht durch. Theoretisch könnte man von hier aus ein Taxi zurück zum Chalet de la Maline nehmen. In der Hauptsaison soll sogar ein Bus fahren. Wir vertrauen unseren Daumen. Schon bald nimmt uns ein älteres Ehepaar aus Hannover mit. Sie fahren sogar extra für uns den Umweg über die Routes des Cretes. Die Perspektive aus dem Auto ist für uns neu und aufschlussreich. Die kurvigen Straßen entlang der Felswände sind so unübersichtlich, dass man regelrecht gezwungen ist langsam zu fahren.
Heute Abend nehmen wir am Abendbrot im Chalet teil. Dieses wird gemeinsam eingenommen. Wir sitzen jeweils zu acht bis zu zehnt an drei großen Tischen. Das Essen, Salat, Lasagne, Käse und Dessert kommt für die Gruppe an die Tische. Die Gruppe übernimmt dann die Verteilung. Sprachbarrieren werden so gut es geht überwunden. So erfährt man ein klein wenig übereinander.
Chalet CAF de la Maline - St. Auban, 71 km, 1170 Hm
Eine schöne Übergangsetappe.

Das Frühstück im Chalet ist wie das Abendbrot sehr gut und auch für hungrige Radfahrer ausreichend. Es gibt Cornflakes, Brot mit Marmelade, Kaffee, Joghurt und Orangensaft.
Auf der D23 geht es nach La Palud. Dort versorgen wir uns für den Tag. Auf der D952 und D955 radeln wir ostwärts. Wir genießen noch einmal die Ausblicke auf die Gorges du Verdon. Zwischen Trigance und Comps sur Artuby bestimmen Getreidefelder das Bild. Es beginnt wieder heiß zu werden. In Comps sur Artuby machen wir Mittag auf dem Place du Fontain, der seinen Namen von einem Brunnen bekam. Wir füllen unsere Flaschen auf.
Auf der D21 nach La Bastide rücken die bis zu 1700m hohen Berge der Montagne de Brouis und er Montagne de Brouis (Montagne = Gebirge) langsam näher, zwischen denen wir später noch durchfahren werden. Davor erstrecken sich Wiesen mit roten Blumen und Wälder. Alle Straßen sind mal wieder erfreulich ruhig. Auf der D2211 nach St. Auban prägt Kiefernwald das Bild. Die 1700m hohen Berge der Montagne de Charamel sind jetzt schon ganz nahe.
Schon um drei Uhr Nachmittags erreichen wir den Campingplatz bei St. Auban. Es kam uns vor wie ein Ruhetag. Der kleine Platz ist schön und sauber. Im strahlenden Sonnenschein bauen wir das Zelt auf, die Feuchte vom letzten mal ist schnell verdunstet. Wir sonnen uns ein wenig.
St. Auban ist aus der Distanz schön anzuschauen, bietet aber aus der Nähe betrachtet nichts Interessantes. Der kleine Supermarkt hat interessante Öffnungszeiten 8:30 - 12:30 und 17:00 - 19:30. Gegen 17 Uhr beginnt es kräftig zu gewittern. Wir "flüchten" uns in die kleine Pizzeria des Platzes, beobachten wie die Wolken aus den Bergen in Richtung Küste ziehen und später wieder zurück. Erst gegen halb neun klart es wieder etwas auf. Da aber alles nass ist, essen wir in der Pizzeria. Essen und Wein sind klasse. Den Wein merken wir aber beide sofort.