Naryn - nahe Eki Naryn, 56 km, 680 Hm
Der Hundebiss
Von Naryn folgen wir dem gleichnamigen Fluss ostwärts. Der Strom hat sich tief in die Landschaft eingegraben, sein Wasser ist von Sedimenten grau-braun gefärbt. Im Tal wird Landwirtschaft betrieben, wir sehen Kartoffelfelder und Wiesen auf denen Heu geerntet wird. Zu beiden Seiten erheben sich über 4000 m hohe Berge. Die ersten 17 km ist die Straße asphaltiert. Je tiefer wir ins Tal fahren, desto trockener wird die Landschaft. Zwischenzeitlich gleicht sie einer Westernkulisse. Der Zusammenfluss von Kichi-Naryn und Chong-Naryn ist interessant, da das Wasser der Flüsse unterschiedlich gefärbt ist. Das Tal wird wieder grüner. In der Senke des Kichi-Naryn gedeihen Bäume und üppige Wiesen.
Der kleine Laden in Eki-Naryn hat geschlossen. Ein Hund schnappt nach Jörgs linkem Knöchel1), beißt aber zum Glück nur ganz leicht zu. Das Gebiss zeichnet sich klar ab, die Zähne haben die Haut aber nicht durchdrungen. Trotzdem erst mal ein kräftiger Schreck, denn in so ziemlich jedem Ort bellen uns Hunde an.
Rund 9 km nördlich des kleinen Dorfes liegt ein Yurt-Camp am Kichi-Naryn. Wir werden herzlich mit frisch gebackenem Brot und Tee begrüßt. Das Camp ist ein Familienbetrieb. Bis auf die Jüngsten sind alle vier Generationen eingespannt. Das Brot wird in einer flachen Pfanne auf einem Holzfeuer gebacken. Auf den Deckeln wird ebenfalls Glut gelegt um Ober- und Unterhitze zu erreichen. Auch der große Teekessel wird mit Holz geheizt. Nahe des Camps überspannt eine Holzbrücke den reißenden Fluss, ein paar Meter weiter entspringt eine Quelle am Wegesrand.
1: Die Hunde verteidigen ihr Revier (ihr Haus, ihren Hof) und das tun sie sehr lautstark. Sie laufen einem auch gerne hinterher und auf Schotter hat man wenig Chancen ihnen davon zu fahren. Unsere Einschätzung ist, das sie nicht wirklich beißen wollen. Wir haben es schon mit sehr vielen Hunden zu tun gehabt und der beschriebene Zwischenfall war der Einzige. Es könnte daran gelegen haben, das wir 3 mal an dem Hof vorbei gefahren sind - da wir nach einem Laden suchten. Der Hund hat auch nur so fest zugebissen, dass das Gebiss sichtbar war, die Zähne haben die Haut nicht durchdrungen. Wir werten dies als Warnschuss. Unsere Devise ist: entspannt bleiben, zügig weiter fahren und alles unterlassen, was den Hund reizen könnte - Steine werfen, Pfefferspray, Schlangenlinien fahren oder der Gleichen. Die Hunde machen ihren Job und den machen sie gut😉 Da es in jedem Dorf Hunde gibt, tut man sich auch keinen Gefallen jedes mal einen Adrenalinschub zu bekommen.
Eki Naryn - Örük Tam, 27 km, 640 Hm
Der Regentag
Der Tag beginnt bewölkt, beim Frühstück tröpfelt es auf die Jurte. Der Weg folgt dem Verlauf des Kichi-Naryn durch die enge Eki-Naryn Schlucht. Es sind einige knackige Steigungen zu überwinden. Die Landschaft ist geprägt von schroffen, steil abfallenden, rötlichen Felsen. Das von Sedimenten grau gefärbte Wasser rauscht meist einige Dutzend Meter unterhalb der Schotterpiste.
Bald begrünen Nadelbäume die Hänge, auf den Wiesen weiden Schafe. Ein Hochgebirgstal wie aus dem Bilderbuch. Wären da nicht die grauen Wolken, aus denen hin und wieder einige Tropfen fallen. Östlich der Eki-Naryn Schlucht weitet sich die Landschaft. In dem breiten Hochtal bestimmen Wiesen das Bild, durch die der Fluss mäandriert. Auf den Südhängen wächst Gras, wohingegen bei den Bergen im Norden die horizontale Schichtung des Sandsteins offen zutage tritt.
Der Niederschlag nimmt an Stärke zu und die Temperaturen empfindlich ab. Die Regensachen kommen zum Einsatz. In Örük Tam gibt es eine Unterkunft, leicht an der Jurte im Vorgarten zu erkennen. Dies ist die letzte Gelegenheit den Regen an einem trockenen Ort auszusitzen und die würden wir gerne wahrnehmen. Etwas irritiert nehmen wir zur Kenntnis, dass daraus nichts wird, da grade der Mann nicht daheim ist - nur die Frau und die Kinder. Im winzigen Laden nebenan bieten zwei junge Männer ihre Hilfe an. Die Familie noch ein Haus weiter hat Platz und ist bereit uns für 1500 Som (rund 20 €) in ihrem Wohnzimmer zu beherbergen. Die Mutter von zwei kleinen Kindern spricht etwas englisch, trotzdem finden wir dieses Mal keinen Anschluss an die Familie. Schade!
Örük Tam - Üch Emcheek Tal, 59 km, 925 Hm
Das unfreiwillige Bad im eiskalten Bergbach
Sonne und Wolken liefern sich am Vormittag ein hartes Duell. Gegen Mittag scheint sich die Sonne durchgesetzt zu haben. Wir folgen dem Kichi-Naryn durch ein breites Tal, das bald schmaler wird und eine kleine Schlucht bildet. Dahinter öffnet sich wieder eine breite, grüne Ebene. Nach dem Abzweig ins Tal des Balgar präsentiert sich die Landschaft trocken und vegetationsarm. Auf karge Wiesen weiden gemischte Herden aus Pferden, Kühen und Schafen.
Bald ragen direkt neben der Piste über 4200 m hohe, felsige Berge auf. Leider gewinnen die Wolken wieder die Oberhand. Es sind einige Bachläufe zu durchqueren. Die Prozedur: Schuhe und Socken ausziehen, Sandalen anziehen, Taschen rüber tragen, Rad durchschieben, Füße abtrocknen, Schuhe anziehen - dauert jedes Mal einige Minuten. Da es Hochgebirgsbäche sind, ist das Wasser richtig kalt. Bei einer Querung meine ich mir das separate rüber tragen der Taschen sparen zu können. Eine gefährliche Fehleinschätzung! Das Rad fängt an auf den Taschen zu schwimmen und die starke Strömung droht es fort zu spülen. Nur mit großer Mühe und einem unfreiwilligen Bad im eiskalten Wasser bekomme ich das Rad ans Ufer. Da stehe ich bei 16 °C und Wind in klatschnassen Sachen und ärgere mich über meine Dummheit. Die Sachen sind schnell gewechselt, der Schreck über die gefährliche Situation wird mich noch eine Weile begleiten.
Das Wetter wird immer nasser und kälter. Bei nur noch 7 °C Lufttemperatur ist das Durchqueren der eiskalten Bäche schon echt hart. Als sich das Tal des Üch Emcheek weitet, finden wir eine Wiese für unser Zelt. Erst als wir in einer Regenpause kochen nehmen wir die schneebedeckten Viertausender wahr, die zum Greifen nahe scheinen.
Üch Emcheek Tal - Tosor Tal, 50 km, 900 Hm
Der Höhepunkt unserer Tour - 3890 m
Auf dem Wasser in unseren Fahrradflaschen hat sich eine dünne Eisschicht gebildet. Der Himmel ist blau und sobald die Sonne an Kraft gewinnt ist es auch recht warm. Am Fuße der Viertausender geht es langsam bergauf. Auf den Wiesen im engen Tal erblicken wir gelegentlich Herden. Einige Yaks stehen im eiskalten Bergbach. Das Wasser des Üch Emcheek ist milchig blau, ein Indiz dafür, dass es von Gletschern stammt. In den grauen Felswänden schimmert weißer Schnee. Einige der hohen Gipfel haben ausgedehnte Schneekappen. Wow, das ist schon echt schön!
Der Weg ist meist recht gut fahrbar. Im Durchqueren von Bächen bekommen wir langsam Übung. Die letzten Kilometer vorm 3890 m hohen Tosor Pass werden rauer und steiler. Einige Abschnitte können wir nur schiebend bewältigen. Trotzdem sind wir angenehm überrascht, den Meas Pass fanden wir anstrengender. Kurz hinterm Pass eine Kulisse aus Fels und Eis die uns fast die Sprache verschlägt. Da stehen wir in fast 3900 m Höhe vor dem Gletscher eines 4240 m hohen Berges und freuen uns wie kleine Kinder.
Die Abfahrt ist recht holprig und einige Passagen so schwierig, dass wir es vorziehen unsere Räder zu schieben. Im grünen Tal rauscht das Wasser des Tosor. Unterwegs blockiert ein Schäfer mit seinen Schafen den Weg. Dieser tierische Verkehr stellt heute unsere einzige Begegnung dar. Sieht man mal ab von den Erdhörnchen, von denen eines nur rund 100 m vor uns über den Weg huscht. Auf dem Weg zum Pass hat es sich auf 17 °C abgekühlt, erst als wir wieder unter 2600 m kommen wird es spürbar wärmer. Auf einer kargen Wiese finden wir ein Plätzchen für unser Zelt. Abends beschert uns ein Gewitter einen schönen Regenbogen.
Tosor Tal - nahen Kaji Say, 33 km, 115 Hm
“Meer”, Strand und Sonne
Die Abfahrt vom Tosor Pass schenkt uns auch auf den letzten Kilometern nichts, die Piste bleibt holprig. Der Weg führt durch eine schöne Schlucht, danach mehren sich die Anzeichen der Zivilisation, wie Obstbäume und Zäune.
Am Issyk Köl angekommen, sind wir froh wieder Asphalt unter den Reifen zu haben. Das “kirgisische Meer” ist 180 km lang, 60 km breit und 700 m tief. Bei unserer Ankunft können wir das gegenüberliegende Ufer nicht ausmachen. Dafür branden Wellen an den Sandstrand, wie man sie sonst nur vom Meer kennt. Der Issyk Köl ist ein Endsee, er hat nur Zuflüsse aber keinen Abfluss. Daher ist sein Wasser auch leicht salzig. Issyk Köl bedeutet “heißer See”. Heiß ist vielleicht etwas übertrieben, aber er friert auch im Winter nicht zu und die können hier kalt sein.
Die Straße verläuft in Sichtweite zum Ufer. Es sind überraschend wenig Autos unterwegs. Das gibt uns Gelegenheit den Ausblick auf den See und die schönen, menschenleeren Sandstrände zu genießen. Im Süden recken sich die Berge in die Höhe aus denen wir kommen. Kaji Say ist ein kleiner Badeort mit Läden, Cafés, Hotels und sogar einem Campingplatz. Bunte Schwimmringe und Bälle warten auf Käufer. Auf dem Dach eines Autos ist ein riesiger, aufblasbarer Delphin festgeschnallt. Die Kennzeichen verraten, dass hier neben Kirgisen auch Kasachen Urlaub machen.
Wir decken uns mit Lebensmitteln ein und rollen einen guten Kilometer weiter. Den Rest des Tages verbringen wir am Strand, wo wir abends auch unser Zelt aufschlagen. Das Wasser ist angenehm, die Sonne scheint und sorgt für mollige 30 °C. So kann man es aushalten. Im Abendlicht leuchten die rötlichen Felsen im Süden geradezu.
Kaji Say - Kara Köl, 64 km, 760 Hm
Aprikosen und Salzsee
Morgens kommen uns 3 LKW-Kolonnen entgegen. Die modernen Laster werden von Sicherungsfahrzeugen begleitet. Das legt für uns den Schluss nahe, dass sie die umstrittene Kumtor-Goldmine mit Material versorgen. Der Tagebau in 4000 m Höhe wird von der kanadischen Centerra Gold Inc. betrieben. Er sorgt für mehr als 10 % der kirgisischen Steuereinnahmen und 50 % der Exporte.
Im Süden sind heute die schneebedeckten Viertausender zu sehen, im Norden schimmert das Blau des Issyk Köl, dahinter zeichnen sich wiederum hohe Berge mit weißen Kappen ab. Der Verkehr ist moderat, der Asphalt meist OK. Bökönbaev ist eine kleine Stadt mit Banken, Basar und CBT-Büro. An den Geldautomaten bekommen wir allerdings kein Geld. Es folgt ein weites, fruchtbares Tal. In den Orten werden Aprikosen und Johannisbeeren an der Straße verkauft. Es scheint jeder Dorfbewohner hat einige Bäume und Sträucher im Garten.
Der Keskem-Bel Pass ist nur 2100 m hoch. Die Landschaft ist wieder trocken und karg, im Norden bestimmen rötliche Sandsteinhügel das Bild. Die Piste zum Salzsee ist holprig und sandig. Es herrscht erstaunlich viel Verkehr, alle paar Minuten werden wir eingestaubt. Jörg schafft es so unglücklich umzufallen, dass er sich die Rippen prellt. Der Kara-Köl entpuppt sich als Touristenattraktion. Ein Zeltlager mit bestimmt 40 Jurten liegt am Ufer des Issyk-Köl. Dazu eine Reihe Imbisse und Cafés. Trotz allem ist der See weniger bevölkert als ein durchschnittlicher deutscher Baggersee, dem er durchaus ähnlich sieht. Wie im Toten Meer kann man sich einfach auf den Rücken legen und schwimmt. Schon eine interessante Erfahrung. Wir bauen unser Zelt nur hundert Meter vom See auf. Im Süden leuchten die schneebedeckten Berge im Abendlicht.