Kirgistan per Rad - Tagebuch einer Radreise

© Christian Hartmann, Jörg Feye mail_outline 

Kara Köl - nahe Ottuk, 58 km, 305 Hm

Ein letztes Bad im Issyk-Köl

Jörgs geprellte Rippe reagiert empfindlich auf Schlaglöcher, daher verzichten wir auf die Runde durch die Berge und bleiben unten am See. Die Hauptstraße ist zwar asphaltiert aber durchaus holprig genug. Fruchtbare Täler wechseln ab mit trockenen Steinwüsten. Das Ufer des Issyk-Köl wurde hier zum Naturschutzgebiet erklärt und ist häufig von einem dichten Schilfgürtel gesäumt.

Bei Ottuk lädt eine schöne Wiese am See zum Verweilen ein. Das Ufer ist durch einen kleinen Wald von der Straße getrennt. Leider ist dieser schöne Flecken auch bei Sandfliegen äußerst beliebt. Die stechen zwar nicht, ihre große Anzahl nervt aber gehörig. Wir verbringen den Nachmittag mit Baden. Das flache Wasser ist auch bei Familien sehr beliebt. Die Kinder halten es oft deutlich länger im Wasser aus als wir. Recht unterhaltsam ist auch die Frage wie viele Personen wohl aus einem Auto aussteigen werden. Sind es 7, 8 oder noch mehr? Zwei kleine Kinder auf dem Schoß des Beifahrers sind keine Seltenheit.

So schön das Plätzchen ist, zum Zelten fahren wir dann doch noch rund 8 km weiter.

Frau mit Kindern verkaufen Aprikosen an der Straße  Frau mit Kindern verkaufen Aprikosen an der Straße
Die Küstenstraße A363 nahe Kara-Talaa  Die Küstenstraße A363 nahe Kara-Talaa
Kinder baden im Issyk Köl bei Ottuk  Kinder baden im Issyk Köl bei Ottuk
Esel grasen am Ufer des Issyk Köl bei Ottuk  Esel grasen am Ufer des Issyk Köl bei Ottuk
Berge bei Ottuk im Abendlicht  Berge bei Ottuk im Abendlicht

Ottuk - nahe Kök-Moynok-Eki,82 km, 825 Hm

Eine schwierige Entscheidung

Auf einer ruhigen Straße geht es durch ein schönes Tal. Der trockene Boden ist steinig und nur spärlich mit kargen Büschen bewachsen. Zu beiden Seiten wird das Tal von Sandsteinbergen eingerahmt, deren Farbspektrum reicht von schwarz über rötlich bis sandfarben. Uns bläst ein kräftiger Wind ins Gesicht. Das Orto-Tokoy Wasserreservoir ist nur zu einem Bruchteil gefüllt. Das Blau des Wassers und das Grün und Gelb der Wiesen bilden einen interessanten Kontrast zur kargen Landschaft ringsum. Gegen Ende des Sees weidet eine Herde Kamele auf den Wiesen am See.

Über die Frage ob die Fahrt vom Issyk-Köl nach Bischkek lohnt scheiden sich die Geister. Die Route über den Kegeti Pass soll attraktiv aber sehr unwegsam sein. Der Weg über Tokmok wird als verkehrsreich und unattraktiv beschrieben. Eine weitere Option ist der Zug von Balikch in die Hauptstadt. Lange wägen wir die verschiedenen Optionen ab. Der Zug wäre zu schnell, das Abenteuer Kegeti Pass wollen wir so kurz vor Schluss doch nicht mehr wagen. Wir werden es über Orlovka, Tash-Döbö versuchen.

Erstmal müssen wir aber nach Kochkor, die Stadt liegt zwar 14 km abseits unserer Strecke, ist aber der einzige Ort in der Umgebung um unsere Vorräte aufzufüllen. Auf dem lebendigen Basar bekommen wir frisches Obst und Gemüse, beim Bäcker Brot das nur wenige Minuten alt ist. In der Stadt gibt es auch Banken, Imbisse und Gästehäuser.

Der Wind schiebt uns zurück zum Orto-Tokoy See. Auf dem Weg über den 2140 m hohen Kubaky Pass macht er uns dafür das Leben schwer. Oben angekommen treffen wir den Fahrer eines alten Mähdreschers. Zwei Kinder verkaufen Kymys. Kurz vor der Hauptstraße A365 finden wir eine Wiese an einem kleinen Bach für unser Zelt.

Schöne Nebenstraße vom Issyk Köl zum Orto-Tokoy See  Schöne Nebenstraße vom Issyk Köl zum Orto-Tokoy See
Zwischen Issyk Köl und Orto-Tokoy See  Zwischen Issyk Köl und Orto-Tokoy See
Die Kilometermarken am Straßenrand sind mannshoch  Die Kilometermarken am Straßenrand sind mannshoch
Der Orto-Tokoy See ist nur zu einem Bruchteil gefüllt  Der Orto-Tokoy See ist nur zu einem Bruchteil gefüllt
Karge Landschaft am Orto-Tokoy See  Karge Landschaft am Orto-Tokoy See
Kamele am Orto-Tokoy See  Kamele am Orto-Tokoy See
Grüne Wiese am westlichen Ende des Orto-Tokoy Sees  Grüne Wiese am westlichen Ende des Orto-Tokoy Sees
Alten Mähdreschers am Kubaky Pass  Alten Mähdreschers am Kubaky Pass

Kök-Moynok-Eki - nahe Lenin, 97 km, 610 Hm

Augen zu und durch

In der Nacht trieben mich Verdauungsprobleme immer wieder aus dem Zelt. Mücken nutzten meine wehrlose Lage schamlos aus. Heute Morgen fühlt sich mein Hintern an wie ein Streuselkuchen.

Um nach Kök-Moynok-Eki zu gelangen müssen wir erst Bahngleise und dann eine wacklige Hängebrücke überqueren. Der Laden des kleinen Dorfes hat ein übersichtliches Sortiment, Brot gehört nicht dazu. Die Hauptstraße A365 ist vierspurig ausgebaut und führt durch eine enge Schlucht. Bei dem vielen Verkehr ist es kaum möglich die Landschaft zu genießen. Die ersten Kilometer kommen wir zügig voran. In dichter Folge liegen Raststätten an der Straße. Bald bläst uns wieder ein starker Wind ins Gesicht, der uns bis Kemin erhalten bleibt. Dort angekommen haben wir von der lauten, stinkenden Straße und dem anstrengenden Wind die Nase voll.

Auf der Nebenstraße nach Orlovka macht das Radfahren wieder Spaß. Die Landschaft ist landwirtschaftlich geprägt. Alle verfügbaren Mähdrescher sind im Einsatz, darunter so einige museumsreife Stücke. Schafe, Kühe, Pferde, Esel und Federvieh am Straßenrand sind für uns zu einem vertrauten Bild geworden. In den zahlreichen Dörfern gibt es etliche kleine Läden. Nicht selten sind es die größeren Kinder, so ab 8 Jahren, die den Laden schmeißen.

Das Wetter zeigt sich heute wechselhaft, sonnige Abschnitte wechseln ab mit bedecktem Himmel aus dem auch mal ein paar Tropfen fallen. Als wir des Abends unser Zelt am Rande eines Feldes aufstellen schaut der Bauer auf seinem Esel vorbei. Er ist sehr erstaunt, dass wir ihm ein ganzes(!) Päcken Zigaretten schenken wollen. Wir haben den Eindruck, dass sich nur selten Touristen in diese Gegend verirren.

Hängebrücke nach Kök-Moynok-Eki  Hängebrücke nach Kök-Moynok-Eki
Bäcker in Kemin  Bäcker in Kemin
Getreidefelder bei Lenin  Getreidefelder bei Lenin
Bauer auf seinem Esel  Bauer auf seinem Esel

Lenin - nahe Koy-Tash, 73 km, 1070 Hm

Hoch oben auf dem Heulaster

Durch welliges, landwirtschaftlich genutztes Land geht es westwärts. Da wir quer zu den Tälern fahren, gibt es immer wieder einige Höhenmeter zu überwinden. Im Süden sind immer deutlicher die bis zu 4800 m hohen, schneebedeckten Berge zu erkennen. Vogelgezwitscher liegt in der Luft. Viele der Tiere haben eine sehr schöne blaue oder grüne Färbung.

Der Weg nach Karagay-Bulak beschert uns einige Kilometer auf Schotter und eine andere Landschaft. Den Blick in die weite Ebene um Bischkek wird von niedrigen, mit verdorrtem Gras bedeckten Bergen verdeckt. Im Tal locken Fischteiche Besucher an. Auf dem Weg zum 1750 m hohen Pass kommen uns zwei mit Heu beladene Laster entgegen. Hoch oben auf dem Heu sitzen Kinder und winken uns zu.

Die Abfahrt führt durch welliges Grasland. Die kleinen Läden in den Dörfern haben ein überschaubares Angebot. Kurz vor Koy-Tash finden wir abseits der Straße eine schöne Wiese zum Zelten. Es ist sonnig und warm. Wir haben freie Sicht auf die Viertausender im Süden. Einmal mehr ein wunderbarer Platz für die Nacht.

Mit Strohballen beladener Laster in Lenin  Mit Strohballen beladener Laster in Lenin
Lada zieht Wassertank in Lenin  Lada zieht Wassertank in Lenin
Kühe weiden bei Karagay-Bulak am Ufer des Isik-Ata  Kühe weiden bei Karagay-Bulak am Ufer des Isik-Ata
Isik-Ata Tal  Isik-Ata Tal
Kinder stzten auf dem Heu, das der Laster transportiert  Kinder stzten auf dem Heu, das der Laster transportiert
Schöner Zeltplatz bei Koy-Tash  Schöner Zeltplatz bei Koy-Tash
Die Viertausender bei Koy-Tash im Abendlicht  Die Viertausender bei Koy-Tash im Abendlicht

Koy-Tash - Ala-Archa Nationalpark, 43 km, 1130 Hm

Noch einmal in die Berge

Bis Tash-Dödö geht es weiter am Fuß der Berge durch Getreidefelder. Dort können wir unsere Vorräte auf einem kleinen Basar und einigen größeren Läden auffüllen. Als Brotaufstrich bevorzugen wir “Benuta”, eine Art “Nutella”. Aus dem Glas füllen wir es in eine verschließbare Frischhaltebox um. Bei Honig neigen wir dazu uns klebrige Finger zu holen. Marmelade scheint jeder selber zu machen, daher gibt es sie so gut wie nicht zu kaufen. Zum Frühstück essen wir anderthalb bis zwei kleine Fladenbrote.

Von Tash-Dödö geht es auf einer asphaltierten Straße hoch zum Ala-Archa Nationalpark, dem Naherholungsgebiet von Bischkek. Die Hänge des engen Tals sind mit Wäldern aus Nadelbäumen bedeckt. Am Ende des Tals reckt sich der 4438 m hohe Pick Medik in die Höhe. Die touristische Infrastruktur besteht aus einem teuren Hotel und einem schäbigen Guesthouse. Weiter unten im Tal stehen einige Jurten. Entgegen unserer Annahme es sein ein Yurt-Camp, ist man hier nur auf das Verköstigen von Tagesgästen eingestellt. Die Familie ist aber flexibel genug uns eine Jurte für die Nacht zu überlassen. Wenige Meter entfernt rauscht der Ala-Archa zu Tal. Des Abends genießen wir den Blick über das tosende Wasser auf die Berge. In einer anderen Jurte lässt sich eine Gruppe Kirgisen bis Oberkante Unterlippe volllaufen.

Im  Ala-Archa Nationalpark Im Ala-Archa Nationalpark

Ala-Archa Nationalpark - Bischkek, 46 km, 160 Hm

Schön war's, sehr schön!!

Auf der Fahrt nach Bischkek stoppen wir noch mal in Tash-Dödö um ganz frisches Brot vom Bäcker zu holen. Den quirligen Verkehr der Hauptstadt haben wir nicht wirklich vermisst. Per GPS-Track navigieren wir zügig und ohne Probleme zu unserem Hotel. Wir sind glücklich, dass alles so gut gelaufen ist und traurig das die Tour zu Ende ist. 1386 km und 17550 Höhenmeter haben wir zurückgelegt. Schöns war's, sehr schön.

Unser Flieger startet morgens um 6:30 Uhr. Wir haben uns entschlossen schon am Vorabend zum Flughafen zu radeln. Die Fahrt dorthin verläuft entspannt. “Lustig” wird's beim Betreten des Flughafengebäudes. Dort muss das Gepäck durch den Scanner - auch unsere Fahrräder. Was nicht passt muss passend gemacht werden, ohne Laufräder klappt es am Ende. Wir hatten gehofft schon am Vorabend einchecken zu können und die Nacht am Gate verbringen zu können. Daraus wird aber nichts. Also suchen wir uns eine halbwegs ruhige Ecke und versuchen etwas Schlaf zu finden. Die Bänke sind gar nicht mal so unbequem und wir sind mit Nichten die Einzigen. So recht will das mit dem Schlafen aber nicht klappen.

Um 4:00 Uhr drängen sich die Passagiere von 2 Fliegern vor 2 tiefenentspannten Zöllnern. Beim Scannen des Handgepäcks wird mein Tagebuch als verdächtig eingestuft und muss nochmal durchleuchtet werden. Dann haben wir es geschafft, übermüdet aber glücklich steigen wir in den Flieger.

Markt in Tash-Dödö Markt in Tash-Dödö