Frankreich per Rad - Tagebuch einer Radreise

© Christian Hartmann, Jörg Feye mail_outline 

Choranche - Mirabel-et-Blacons, 64 km, 970 Hm

Eine ungewollt kurze Tour duchs Vercors.

Der Tag beginnt erfreulich freundlich, die Temperaturen sind angenehm. Beim Frühstück mit Aussicht kommt sogar die Sonne raus. Das hebt die Stimmung.

Das Réserve naturelle des Hauts plateaux du Vercors ist mit 170 km2 das größte Naturschutzgebiet Frankreichs. Es ist geprägt von Wäldern, Hochwiesen, Kalkplateaus und Steilhängen. Berühmt ist der Vercors für seinen einzigartigen Reichtum an Orchideen. Etwa 60 Arten kommen im Gebiet vor, darunter der Frauenschuh. An den Steilhängen leben unter anderem Steinadler, Wanderfalke, Uhu und Alpensegler.

Auf der Abfahrt nach Pont-en-Royans überholt uns eine Gruppe Rennradfahrer. Sie kommen, wie sich herausstellt, aus Neuseeland. Die Fahrt führt weiterhin durch das aufregende Tal der Bourne, das nach einer Weile wieder schmaler wird. Pont-en-Royans ist ein besonders schöner Ort - die Häuser sind direkt am Flussufer auf den Felsen errichtet, einige Balkone hängen in luftiger Höhe über der Bourne.

Bis Saint-Jean-en-Royans spricht alles für einen perfekten Tag. Wir nutzen Bäcker und Markt, um Lebensmittel zu kaufen. Am Ortsausgang dann die schlechte Nachricht. Der Col de la Bataille ist geschlossen. Wir stecken die Köpfe zusammen und suchen nach einer Alternative. Wir können auf der D70 direkt nach Léoncel fahren. Aus der Fahrt durch die spektakuläre Combe Laval, auf die wir uns schon sehr gefreut hatten, wird dann aber leider nichts. Uns bluten die Herzen, aber es gibt keine andere brauchbare Alternative.

Der Kummer verzieht sich nur langsam, als wir die durchaus auch sehr schöne und verkehrsarme D70 hochfahren. Das es dann auch noch auf 14°C abkühlt und einen Schauer gibt, trägt auch nicht gerade dazu bei unsere Stimmung wieder zu heben. Die Landschaft wird bestimmt von Wald und einigen wilden Wiesen, durch die sich der noch sehr kleine Bach Laval schlängelt.

An der Kirche in Léoncel machen wir Mittag. Eine Katze leistet uns Gesellschaft. Offensichtlich mit dem Hintergedanken etwas fressbares abstauben zu können. Als wenig später ein älteres Radlerpärchen am Nachbartisch Brot und Käse auspackt, versucht sie bei ihnen ihr Glück.

Der Pass ist bei 985m erreicht. Hinter uns ist es dunkel, vor uns ist es hell. Die Abfahrt macht Laune. Je tiefer wir kommen desto stärker ist die Landschaft wieder landwirtschaftlich geprägt. Eine Imkerei erregt unsere Aufmerksamkeit. In einem kleinen Laden verkaufen sie allerlei Produkte aus Wachs und Honig. Wir kaufen einen Topf Akazienhonig.

Im Tal der Drôme erreichen die Temperaturen wieder 25°C. Der Campinplatz in Mirabel-et-Blacons ist mit Annehmlichkeiten wie Pool und Internetzugang ausgestattet. Wohin wir auch schauen erblicken wir holländische Nummernschilder. Wir befreien unsere Räder vom gröbsten Dreck und nehmen ein kurzes Bad im Pool. Für ein langes Bad ist es einfach zu frisch.

Tal des la Bourne  Tal des la Bourne
Tal des la Bourne  Tal des la Bourne
Pont-en-Royans   Pont-en-Royans
Der Col de la Bataille ist geschlossen  Der Col de la Bataille ist geschlossen
Jörg mit seinen neuen Mitze  Jörg mit seiner neuen Mitze
Abfahrt ins Drôme-Tal Abfahrt ins Drôme-Tal
Abfahrt ins Drôme-Tal Abfahrt ins Drôme-Tal

Mirabel-et-Blacons - Faucon, 94 km, 1200 Hm

Provence wir kommen!

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Heute ist es den ganzen Tag trocken. Die Temperaturen liegen, bis auf eine kurze Ausnahme, über 20°C. Durch einen zum Teil starken Nord-West-Wind fühlte es sich aber einige Grad kälter an.

Morgens sieht es erst noch durchwachsen aus. Es ist trocken, der Himmel macht aber noch keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck. Es geht flach nach Aouste-sur-Sye und weiter über die sehr ruhige D70 durch den ursprünglichen Foret de Saou (Foret = Wald) nach Saou. Der Wald steht unter Schutz und beherbergt auffällig viele Eichen. Auch Orchideen können wir identifizieren. Wir überqueren den 416m hohen Pas de Lauzens. Saou ist ein schöner kleiner Ort. Es ist gerade Markt. Da wir früh dran sind, gönnen wir uns eine Kaffee-Pause im Café. Die Bedienung ist eine ganze Weile damit beschäftigt Papiertischdecken auf den Tischen zu verteilen. Bei dem starken Wind kein ganz einfaches Unterfangen. Wir fragen uns durchaus, ob die Übung überhaupt Sinn macht.

Weiter geht es durch das ruhige Tal des Baches Roubion auf der D538 und D70 nach Süd-Osten. Es sind viele Gruppen von Rennradfahrern unterwegs. Das Tal wird landwirtschaftlich genutzt. Getreidefelder, Viehwiesen (Kühe, Schafe), Olivenhaine, Weinstöcke und Lavendelfelder bestimmen das Bild. Im Hintergrund ragen auf beiden Seiten bis zu 1000m hohe, mit gelbem Ginster bewachsene Berge auf. Die Dörfer die wir passieren haben eine deutlichh mediterrane Note. Über den 790m hohen Col de la Sausse verlassen wir das Tal. Es folgt die Abfahrt durch die schöne Gorges de Trente-Pas.

In La Bonté erreichen wir das Tal des l`Eyges und die D94. Dort wird der Verkehr etwas stärker, liegt aber immer noch im grünen Bereich. Der Himmel ist noch immer bedeckt. Unsere nächste Station ist Nyons. Die Stadt besitzt eine nette Altstadt, in der wir ein wenig Zeit verbringen und einen großen Intermarché, in dem wir einkaufen.

Die D538 Richtung Vaison-la-Romaine ist merklich verkehrsreicher. Wein und Lavendel bestimmen das Bild. Da wir weiterhin Rückenwind haben geht es zügig voran. Wenige Kilometer vor Vaison-la-Romaine biegen wir links auf die D40 ab. Kurz vor Faucon liegt unser Tagesziel. Der Campingplatz ist schön in einem Kiefernwald gelegen und wieder hervorragend ausgestattet. Wie gestern dominieren niederländische Nummernschilder das Bild. Nachdem das Zelt steht, statten wir Vaison-la-Romaine einen Besuch ab. Endlich kommt auch die Sonne raus. In der Stadt sind noch Zeugnisse ihrer römischen und mittelalterlichen Geschichte erhalten. Wir schlendern durch die engen und steilen Gassen der gut erhaltenen, auf einem Hügel erbauten, mittelalterlichen Altstadt.

In Saou ist gerade Markt.  In Saou ist gerade Markt
Roubion-Tal  Roubion-Tal
Der Col de la Sausse ist 790m hoch  Der Col de la Sausse ist 790 m hoch.
Gorges de Trente-Pas  Gorges de Trente-Pas
Nyons Altstadt  Nyons Altstadt
Vaison-la-Romaine  Vaison-la-Romaine
Vaison-la-Romaine  Vaison-la-Romaine
Vaison-la-Romaine  Vaison-la-Romaine

Faucon - Villes-sur-Auzon, 82 km, 1090 Hm

Der Mistral kommt.

Ein neuer Mitspieler betritt die Bühne. Der Mistral bläst mit 35-40 km/h - in Böen auch deutlich darüber - aus Nord-West. Auf den ersten Kilometern schiebt uns der Wind. Die Temperaturen von 15-17°C sind weniger angenehm, auch weil es sich durch den starken Wind deutlich kühler anfühlt. Der Gipfel des Mont Ventoux ist in Wolken gehüllt, als wir ihn auf der D40 passieren. Im Norden ragt der Mont Ventoux steil auf, die Landschaft ist geprägt von Mischwäldern. Eichen, Kiefern und Linden können wir erkennen. Altostratus (mittelhohe Schichtwolken) stauen sich vor dem 1912m hohen Berg und verdecken die Sonne. Angenehm ist hingegen das sehr geringe Verkehrsaufkommen.

In Savoillan finden wir einen kleinen aber sehr guten Bäcker. Wir haben den Eindruck, dass die Menschen aus der Umgebung in diesen kleinen Ort kommen, um hier Ihr Sonntagsbaguette zu kaufen.

Nächste Station ist Montbrun-les-Bains, das zu den schönsten Dörfern Frankreichs zählen soll. Wir halten das für etwas übertrieben. Der Ort ist nett, hat viele gut erhaltene alte Häuser und die Lage ist unbestritten auch sehr reizvoll. Trotzdem hätten wir bei dieser Auszeichnung mehr erwartet.

Über Aurel geht es weiter nach Sault. Hier zeigt sich die Sonne wieder. Dafür haben wir den Wind jetzt volle Breitseite von Rechts, wodurch die gefühlte Temperatur fast unverändert bleibt. In Sault wurde heute Morgen ein Amateurradrennen auf den Mont Ventoux gestartet. Noch immer stehen Dixi-Toiletten und Absperrgitter am Straßenrand. Das deutlichste Anzeichen sind aber die vielen Rennradfahrer und Autos mit Fahrradträgern aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland.

Von Sault aus geht es westwärts durch die Gorges de la Nesque. Die Sonne scheint jetzt von einem tadellos blauen Himmel, das Thermometer zeigt 26-27°C an. Der Wind kommt direkt von vorn, sodass es sich weiterhin frisch anfühlt. Die Gorges de la Nesque ist eine spektakuläre, tiefe und weite, bewaldete Schlucht. Die Straße verläuft weit oberhalb des Flusses und fällt langsam von 800m auf 250m ab. Die Ausblicke, vor allem im oberen Abschnitt, sind sensationell. Dutzende Rennradfahrer begegnen und überholen uns. An einem Aussichtspunkt treffen wir einen US-Amerikaner, der eine Geschäftsreise um das Wochenende und zwei weitere Tage verlängert hat, um die Gegend mit den Fahrrad zu entdecken. Auch wir kommen vor lauter entdecken und fotografieren kaum voran.

Auf dem Zeltplatz in Villes-sur-Auzon stellen wir unser Zelt im Windschutz einer Hecke auf. Platznachbarn aus Starnberg füllen unseren leeren Salzstreuer gerne auf. Tipps für die morgige Fahrt auf den Mont Ventoux geben sie uns gleich mit dazu. Dessen Gipfel ist noch immer in Wolken gehüllt. Nach diesem windigen Tag fällt es uns leicht zu glauben, dass sich der Name des Berges von Mons Ventosus (lat. Windiger Berg) ableitet.

Montbrun-les-Bains: Das Dorf zählt zu den schönsten Frankreichs.   Montbrun-les-Bains gehört ...
Montbrun-les-Bains   ... zu den schönsten Dörfern Frankreichs.
Gorges de la Nesque: Eine spektakuläre, tiefe und weite, bewaldete Schlucht.  Gorges de la Nesque: Eine spektakuläre, tiefe, bewaldete Schlucht.
Die kurvige Straße führt durch einige Tunnel.  Die kurvige Straße führt durch einige Tunnel.
Die Straße verläuft weit oberhalb des Flusses.  Die Straße verläuft weit oberhalb des Flusses.
Von 800m rollen wir auf 250m hinab.  Von 800 m rollen wir auf 250 m hinab.
Gorges de la Nesque  Gorges de la Nesque
Gorges de la Nesque Gorges de la Nesque

Villes-sur-Auzon - Sault, 62 km, 1860 Hm

Der Mont Ventoux.

Heute meint es das Wetter gut mit uns. Die Sonne scheint von einem blauen Himmel, es ist weitgehend windstill und die Temperaturen bewegen sich im mittleren 20 Grad Bereich.

Über Flassan fahren wir nach Bédoin. Dort startet der "offizielle" Anstieg zum Mont Ventoux, also der, den auch die Tour de France nimmt. In Bédoin ist gerade Markt. Die Straße ist über und über voll mit Ständen, die allerlei regionale Produkte anbieten. Schiebend erreichen wir das Schild, das besagt, dass Bédoin auf 309m liegt und der Gipfel des Mont Ventoux auf 1909m. Los geht's!

Die ersten Kilometer sind noch moderat, ab Saint Esteve liegt die Steigung dann durchgängig zwischen 7 % und 10 %. Die Straße führt lange durch Kiefernwald, der Schatten spendet. Wir kommen mit dem schweren Anstieg erfreulich gut klar. Einige Rennradfahrer ziehen an uns vorbei, sonst ist der Verkehr mal wieder sehr moderat und die Rücksichtnahme vorbildlich. Immer wieder schmücken die Namen der Tour-Helden die Straße. Schon früh können wir den Gipfel sehen.

Nach rund 15 Kilometern stößt die D164 aus Sault auf die D974 aus Bédoin. An der Kreuzung liegt das 1927 erbaute Chalet Rybard. Vor dem Restaurant stehen in langer Reihe Fahrradständer. Wir machen eine kurze Rast, stärken uns mit Bananen und Keksen. Mittlerweile bläst ein steifer Wind aus Osten. Für die letzten 472 Höhenmeter ziehen wir Windweste und Armlinge an. Wenige Meter oberhalb des Chalets ist es vorbei mit den Bäumen. Von hier an ist der Mont Ventoux eine Steinwüste. Das war nicht immer so. Das Kalkschotterfeld wurde erst durch die Rodung des ehemals üppigen Baumbestandes zum Bau der Seeflotten des Ancien Régime freigelegt.

Am Straßenrand sitzen an drei Stellen professionelle Fotografen, die Bilder von den vorbeikommenden Radfahren machen. Spätestens jetzt begreifen wir die Dimension dieses Mekkas der Rennradfahrer. Mit unseren voll beladenen Rädern fallen wir zwischen all den leichten Rennrädern richtig auf und ernten einige anerkennende Kommentare wie "ihr seit ja verrückt". Die Beine machen immer noch locker mit. Nur bei Tempoverschärfungen, um ein paar Meter für ein Foto raus zu fahren, merken wir schnell wo das Limit ist.

Kurz vor dem Gipfel steht der Gedenkstein für den englischen Radprofi Tom Simpson, der hier am 13. Juli 1967 während der Tour de France, erschöpft zusammenbrach und starb. Todesursache war eine hohe Dosis Amphetamine und wohl auch Alkohol. Vor dem Gedenkstein liegen Trinkflaschen, Blumen, ein Helm und ein Lenker.

Dann noch 1500m und wir haben es geschafft. Oben ist richtig was los. Es wimmelt geradezu von Rennradfahrern und ihren motorisierten Begleitern. Da ein kalter Wind bläst, stürzen wir uns nach kurzem Aufenthalt in die Abfahrt. Insbesondere bis zum Chalet kann man es gut laufen lassen. Weiter unten wird der Belag rauer. Gut 3 Stunden haben wir für den Aufstieg gebraucht, in einer Stunde sind wir wieder unten.

In Sault ist es wieder warm, der Wind bläst aber immer noch frisch. Wir setzen uns in den Windschatten einer Mauer in die Sonne und futtern unsere letzten Vorräte auf. Der Campingplatz liegt gut 1 Kilometer östlich von Sault. Der sehr weitläufige Platz liegt in einem Kiefernwald. Es ist gar nicht einfach eine einigermaßen ebene Stelle für das Zelt zu finden. Der Pflegezustand des Platzes ist nicht so toll. Da kaum was los ist, "leihen" wir uns Tisch und Stühle von einem verlassenen Dauercamper-Platz aus. Damit wandern wir den Rest des Nachmittags der Sonne hinterher. Wir kommen mit einer jungen Radlerin aus Regensburg ins Gespräch, die in drei Monaten von Gibraltar nach Hause radelt. Auch sie hatte zwischenzeitlich mit dem schlechten Wetter zu kämpfen. Des Abends fahren wir noch zum nahen Supermarkt, der wie üblich den größten Teil des Nachmittags geschlossen hatte.

Mont Ventoux In Bedoin: Noch liegen alle 1600 Höhenmeter und 22 Kilometer vor uns.
Mont Ventoux   Der untere Teil des Anstiegs zum Mont Ventoux verläuft durch Wald.
Mont Ventoux   Im Bild rechts oben ist der Gipfel des Mont Ventoux erkennbar.
Mont Ventoux  Das 1927 erbaute Chalet Rybard. Wir stärken uns mit Bananen und Keksen.
Mont Ventoux  Weht der Mistral, werden am Mont Ventoux sehr hohe Windgeschwindigkeiten erreicht.
Mont Ventoux  Der Gipfel des Mont Ventoux rückt näher.
Mont Ventoux  Im oberen Abschnitt machen professionelle Fotografen Bilder.
Mont Ventoux Am 13. Juli 1967 verstab Tom Simpson 1,5 Kilometer vor dem Gipfel.
Mont Ventoux Mit allen Fotostopps brauchen wir gut 3 Stunden für den Aufstieg.
Sault Sault: Blick nach Westen
Sault Abendliche Impression in Sault

Sault - Étang de la Bonde, 80 km, 860 Hm

Endlich Sonne und Wärme!

Geht doch! Morgens beim Frühstück ist es noch etwas frisch, schon kurz nach dem wir auf den Rädern sitzen wird es wärmer und wärmer.

Von Sault aus fahren wir auf der D943 nach Süden. Nach einigen Kilometern bergab, geht es einen kleinen Hügel rauf. Die Landschaft ist ein Wechsel aus Getreide- und Lavendelfeldern, Kiefern- und Eichenwald. Im Nordwesten bleibt der Mont Ventoux noch lange in Sicht. Die Böden sind vielerorts sehr steinig, die Erde rötlich. Uns fallen die vielen Schmetterlinge auf, auch Grillen oder Zikaden hören wir häufig.

Mitten im Foret de Javon, direkt an der D943, liegt das trutzige Chateau Javon. Der viereckige Sandsteinbau mit seinen vier Türmchen stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die folgende Abfahrt führt durch eine schöne Schlucht - die Combe de la Sigaliere. Bei Lioux endlich das erste blühende Lavendelfeld. Auch hier flattern unzählige weiße Schmetterlinge rum. Wir machen einen ausgiebigen Fotostopp. Ich bemühe mich ein vernünftiges Foto eines Schmetterlings zu bekommen, was bei Jörg den Eindruck erweckt, ich mache eine Fotosession mit einem Modell. Auf der folgenden Strecke bestimmen mehr und mehr Weinstöcke das Bild.

Gegen Mittag erreichen wir Roussillon. Der Ort ist der erste mit einem nennenswerten Touristenaufkommen auf unserer Tour. Die Temperaturen sind mittlerweile auf Werte jenseits der 30°C-Marke geklettert. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und machen erstmal Mittag - wie häufig mit ganz frischem Baguette. Roussillon ist vor allem bekannt für seine ockerhaltige rote Erde, die als Rohstoff zur Herstellung von Farben verwendet wird. Bereits die Römer, die das Dorf vicus russulus (rotes Dorf) nannten, bauten hier Ocker ab. Für die Besichtigung der Ockerbrüche werden moderate 2,50? Eintritt pro Nase fällig. Zwei unterschiedlich lange Wege stehen zur Auswahl. Die Anzahl der Besucher ist überschaubar und erlaubt ungestörtes Erkunden. Die Formen und Farben der Ockerfelsen sind überraschend vielfältig. Ihre Lage in einem Kiefernwald vermittelt ein naturnahes Erlebnis.

Auf dem Weg nach Bonnieux überspannt die Pont Julien den Calavon. Die Brücke war Teil der Via Domitia, einer römischen Straße, die Narbonne mit Turin verband. In Bonnieux gönnen wir uns ein Eis. Uns fällt auf, dass einerseits in vielen Orten einige Häuser baufällig wirken und Häuser zum Verkauf stehen. Andererseits etliche Immobilienmakler Objekte zu horrenden Preisen anbieten.

Auf der D943 nach Lourmarin ist seit langem mal wieder nennenswerter Verkehr zu verzeichnen. Die Straße führt durch ein waldreiches Gebiet, es duftet nach Kiefern. Wir durchqueren die Combe Lourmarin, die im Vergleich mit vorangegangenen Schluchten weniger spektakulär ist, sondern "nur" sehr schön - mit der Zeit wird man anspruchsvoll :-)

Von nun an geht es Richtung Osten, parallel zum Gebirgszug des Grand Luberon im Norden. Die Landschaft wird bestimmt von Wein und den sanften, bewaldeten, bis zu 1100m hohen Bergen des Luberon. Die Dächer von Cucuron erlangten durch den Film "Der Husar auf dem Dach" Berühmtheit. Allen Orten auf der heutigen Etappe können wir einen schönen und gut erhaltenden Ortskern attestieren.

Nach einem Abstecher zur Festung in Ansouis fahren wir auf kleinen Feldwegen zum Étang de la Bonde (Etang = Teich). Der Campingplatz liegt auf der Westseite des Sees und ist mit einem gut sortierten Laden ausgestattet. Wir nehmen ein erfrischendes Bad. Vor dem Abendbrot gibt es noch eine klebrige Überraschung. Der Deckel unseres Nutellaglases hat nicht dicht gehalten. Die weich gewordene Nuss-Nougat-Creme hat sich auf alles in seiner Umgebung verteilt. So besteht der Nachtisch heute aus 500g Nutella.

Combe de laSigaliere  Im Süden steigt der 1909 m hohe Mont Ventoux flach an.
Chateau Javon  Chateau Javon
Combe de la Sigaliere  Combe de la Sigaliere
Combe de la Sigaliere  Combe de la Sigaliere
Lavendelfeld bei Lioux  Lavendelfeld bei Lioux
Lavendelfeld bei Lioux  Lavendelfeld bei Lioux
Ocker-Felsen in Roussillon  Ocker-Felsen in Roussillon
Ocker-Felsen in Roussillon  Schon die Römer bauten die ockerhaltige Erde ab.
Ocker-Felsen in Roussillon  Die Felsen können auf zwei Wegen besichtigt werden.
Ocker-Felsen in Roussillon  Im Juni war die Besichtigung entspannt.
Ocker-Felsen in Roussillon  Form und Farbe der Felsen variieren.
Pont Julien  Die Pont Julien überspannt den Calavon und war Teil der Via Domitia.
Bonnieux  Bonnieux
Combe de Lourmarin  Combe de Lourmarin
Lourmarin  Lourmarin

Étang de la Bonde - Lac de Sainte-Croix, 104 km, 1600 Hm

Eine abwechslungsreiche und lange Etappe.

Weinstöcke, Getreide-, Lavendel- und Gemüsefelder, Eichen- und Kiefernwald wechseln einander ab. Dazwischen immer mal wieder ein nettes Dorf. Die Sonne scheint bis in die Nachmittagsstunden heiß vom blauen Himmel.

Unsere erste Station ist der auf einem Hügel gelegene Ort Grambios. Bis dort hin bestimmt Wein das Bild. Es geht weiter über die D122 durch den Crete de la Sarriere nach La Bastide-des-Jourdans. Dieser steinige Wald beheimatet neben Eichen und Kiefern einen Baum mit dicken, dunkelgrünen Blättern den wir nicht kennen. Von La Bastide-des-Jourdans geht es auf der D956 lange moderat bergauf. Die Straße führt durch einen Eichen- und Kiefernwald. An einigen Stellen sind die Folgen eines länger zurückliegenden Waldbrandes zu erkennen.

Manosque ist eine nette Kleinstadt, in der zur Abwechslung mal was los ist. Die Altstadt hat die Form einer Birne. Wo früher die Stadtmauer stand, verläuft heute eine belebte Ringstraße. Wir betreten die Altstadt durch die Porte Saunerie (das Salztor) im Süden und finden vor der Kirche Saint-Sauveur mit gotischem Portal ein schönes Plätzchen für die Mittagspause. Matthias aus Köln gesellt sich zu uns. Sein Rad ist schwer beladen. Auf seiner Tour durch die Alpen hatte er nicht viel Glück mit dem Wetter. Auf unserer Tour durch die sehenswerte Altstadt werden wir kurze Zeit später von einem Paar angesprochen, das in Saint-Paul-sur-Ubaye am Fuße des Col du Vars lebt. Auch sie sind begeisterte Radfahrer, haben vor einigen Jahren eine lange Tour durch Südamerika gemacht. Wir trinken noch einen Cappuccino, bevor wir auf der Ringstraße nach der richtigen Ausfahrt suchen. An einem Briefkasten werden wir von Chris angesprochen. Chris ist großer Jan Ulrich und Rudi Altig Fan. Er füllt unsere Flaschen auf und meint, wenn wir was bräuchten sollen wir ihm eine Email schreiben.

Die ersten Kilometer aus Manosque raus sind verkehrsreich. Auf halbem Weg nach Valensole (vom lateinischen vallis = Tal und solis = Sonne, also Tal der Sonne), wird es wieder schön und ruhig. Getreide- und Lavendelfelder bestimmen die Landschaft. Valensole ist ein typisches provenzialisches Dorf mit Häusern aus den vergangenen Jahrhunderten. Auf dem Weg nach Riez sehen wir vermehrt Oliven-Haine. Die Straße ist weiterhin ruhig und sehr hügelig.

Nach Riez beginnt es sich zu bewölken. Es geht mal wieder bergauf und wir spüren erste Ermüdungserscheinungen. In einer kurvenreichen Abfahrt geht es nach Moustiers-Sainte-Marie. Der Ort ist ausgesprochen schön und liegt spektakulär direkt unterhalb senkrechter Felswände. Moustiers-Sainte-Marie hat sich voll und ganz dem Tourismus verschrieben. Unsere Sache ist das nicht. Dementsprechend fällt unser Aufenthalt eher kurz aus. Es geht weiter bergab. Es ist schon spät am Nachmittag, als wir endlich den Lac de Sainte-Croix erreichen. Eine atemberaubende Landschaft breitet sich vor und aus. Hinter dem Stausee ragen bis zu 700m hohe steile Felswände auf, die zum See hin flacher werden und bewaldet sind. Eine Brücke überspannt den Fluss Verdon, der den See speist und der dahinter liegenden Schlucht ihren Namen gibt.

Der Campingplatz liegt nur wenige hundert Meter östlich der Brücke. Er ist riesig, erstreckt sich weit den Hügel hinauf. Wir suchen uns ein Plätzchen mit Blick auf den See aus. Mit lautem Donner zieht ein Gewitter aus der Schlucht in Richtung See. Wir kochen unter dem Vordach eines Sanitärhäuschens, das nur noch zur Hälfte in Funktion ist. Als wir mit dem Abendbrot fertig sind, ist das Gewitter durchgezogen. Eine Stunde später kommt die Sonne wieder raus.

Sannes  Sannes
Blick vom Grambois nach Norden  Blick vom Grambois nach Norden
Lavendelfeld westlich vom Manosque  Lavendelfeld westlich vom Manosque
Valensole  Valensole
Moustiers-Sainte-Marie  Moustiers-Sainte-Marie
Moustiers-Sainte-Marie  Moustiers-Sainte-Marie
Lac de Sainte-Croix Lac de Sainte-Croix
Lac de Sainte-Croix Lac de Sainte-Croix.

Lac de Sainte-Croix - Chalet CAF de la Maline, 78 km, 2050 Hm

Die Gorges du Verdon.

Die Umrundung der großen Verdonschlucht bei gutem Wetter ist heute unsere traumhafte und anstrengende Tagesaufgabe.

Vom Lac de Sainte-Croix (500m) geht es auf der D19 den Berg hoch nach Aiguries. Es ist noch früh am Morgen und angenehm kühl. In Aiguries versorgen wir uns beim Bäcker und in dem kleinen Markt für den Tag. Die Straße führt weiter bergauf, bis auf 1200m. Die Ausblicke werden immer spektakulärer. Erst haben wir eine herrliche Aussicht über den See nach Westen. Ab dem 967m hohen Col d'Illoire kommen wir beim Blick auf und in den Grand Canyon du Verdon aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Natur hat hier wahrlich ein Monument geschaffen.

Im Trias und im Jura ist die heutige Provence mehrfach von Meeren bedeckt. Es lagern sich verschiedene Schichten von Kalk ab. In der Kreidezeit falten sich die Alpen auf, die Kalkmassive werden angehoben, zerbrechen und bilden Täler. In dieser Zeit suchte sich auch der Fluss Verdon sein Bett. Im Quartär überformen eiszeitliche Gletscher die Landschaft. Am Ende der Vereisung nehmen die Flüsse ihre Erosionstätigkeit wieder auf. Bedingt durch die Eisschmelze sind die Wassermengen gewaltig und ermöglichen die tiefen Einschnitte im weichen Gestein.

Die 21 Kilometer lange Gorges du Verdon ist neben der Tara-Schlucht in Montenegro einer der größten Canyons Europas. Die Schlucht ist am Grund zwischen 6m und 100m breit. Die gegenüberliegenden Flanken sind zwischen 200m und 1500m voneinander entfernt. Die Tiefe variiert zwischen 250m und 700m. Wo die Felsen nicht gerade senkrecht abfallen haben sich Bäume angesiedelt. Unten schlängelt sich der mittlerweile gezähmte Verdon als türkis-blaues Band durch die Schlucht.

Der Verkehr ist selbst hier sehr moderat. Die Kennzeichen sind ein bunter Mix aus halb Europa. Neben Niederländern, Belgiern und Deutschen sehen wir Italiener, Schweizer, Österreicher, Tschechen, Polen, Norweger und Finnen. Gefesselt von der Landschaft sind selbst die Motorradfahrer meist sehr langsam unterwegs. Eine Gruppe Rennradfahrer aus Bayern zieht langsam an uns vorbei.

Vom höchsten Punkt geht es in zwei großen Wellen bergab. Das Wetter und die außergewöhnlich schöne Landschaft "zwingen" uns immer wieder zu Fotostopps. In Trigance, am östlichen Ende der Gorges du Verdon, machen wir Mittag. Da es heute keine Einkaufsmöglichkeit mehr gibt schonen wir unsere Vorräte. Beim Bäcker kaufen wir Brot für zwei Tage. Unser Mittagessen besteht aus Pizzastücken, Sandwiches und süßen Stückchen vom Bäcker.

Es geht wellig weiter. Die Landschaft ist vorübergehend nicht mehr ganz so spektakulär. Auf der D23, der Routes des Cretes, wird es nochmal richtig anstrengend. Über mehrere Kilometer steigt die kleine Straße bis zu 10% steil bis auf 1300m an. Die Ausblicke sind wieder atemberaubend. An einem der zahlreichen Aussichtspunkte seilen sich Kletterer an einem senkrechten Felsen ab. Am bisher makellosen Himmel sind einige Wolken aufgezogen.

Die Abfahrt zum Chalet de la Maline ist eine Einbahnstraße. Die Schutzhütte des CAF (Club Alpine Francais, Vereinigung der Bergsteigerverbände in Frankreich) liegt auf 893m und ist direkt am Rand der Schlucht erbaut. In 4 Mehrbettzimmern und 2 "Schlafsälen" können insgesamt 59 Personen übernachten. Die Übernachtung ist mit 14? pro Person sehr günstig, mit Abendbrot und Frühstück werden 36? fällig. Wir kommen - ohne vorherige Anmeldung - für die nächsten zwei Nächte in einem der Sechsbettzimmer unter. Heute Abend kochen wir unser Essen selber - im Eingang der alten Hütte. Am Abend genießen wir den genialen Ausblick von der Terrasse. Es ist wieder sonnig und warm.

Aiguines   Aiguines
Gorges du Verdon   Gorges du Verdon: Am westlichen Ende nahe des Col d Illoine.
Gorges du Verdon   Blick von Süden in die Gorges du Verdon.
Gorges du Verdon  Blick von Süden in die Gorges du Verdon.
Gorges du Verdon  600 m Luft unter den Füßen.
Bäckerei und Kirche von Trigance  Bäckerei und Kirche von Trigance
Gorges du Verdon  Blick von Norden in die Gorges du Verdon.
Gorges du Verdon  Blick von der Routes des Crêtes in die Gorges du Verdon.