Albanien per Rad - Tagebuch einer Radreise

© Christian Hartmann, Jörg Feye mail_outline 

Korça - Gramsh, 95 km, 1140 hm

Eine ausgesprochen schöne und abwechslungsreiche Strecke!

Wir sind immer wieder aufs neue überrascht wie stark Albanien von den Italienern beeinflusst ist. Noch im kleinsten Dorf bekommt man einen ausgezeichneten Espresso. Selbstredend mit einem Glas Wasser dazu. Auch die Pizzabäcker und Pastaköche haben ganz offensichtlich von ihren italienischen Nachbarn gelernt. Erschreckend hoch ist die Anzahl der Straßenhunde, die sowohl in den Städten als auch zwischen den Orten im Schatten der Bäume bisweilen auch mitten auf der Straße liegen. Keines dieser Tiere ist auch nur im geringsten aggressiv. Allerdings scheinen sie die ganze Nacht durchzubellen und zu jaulen. Albaner jeden Alters fahren mit dem Rad. In und um Korça ist dies besonders ausgeprägt. Hier gibt es sogar Radwege. Aber auch auf dem Land begegnen uns Radfahrer.

Die Straße von Korça in Richtung Ohridsee ist stärker befahren. Wie schon auf der anderen Seite der Stadt bieten auch hier viele Bauern ihr Obst und Gemüse in kleinen Ständen an. Die Straße am Devoll-Fluss entlang ist klein und ruhig. Im oberen Teil liegen halb verfallene Industrieanlagen am Weg. Uns begegnen mal wieder viele Esel und Pferde die Lasten transportieren. Das Tal wird schmaler und zunehmend von Wald und Sträuchern dominiert. Die Straße wird zunehmend schlechter. Die in vielen Karten noch verzeichnete Strecke entlang des Devoll-Stausees existiert nicht mehr. Somit ist es uns vergönnt einmal mehr einige Höhenmeter zu machen. Gute 300 m über dem See liegen kleine Dörfer an der Straße. Wie so oft bewirtschaften die Bauern nur kleine und kleinste Flächen. Die Berge zu unserer Rechten sind bis zu 2000 m hoch und beherbergen den Tomorri-Nationalpark. Unterhalb der Staumauer durchqueren wir eine enge, felsige Schlucht. Vor Gramsh erstreckt sich ein erstaunlich breite Schotterfläche zwischen den Bergen, in der etwas verloren der Devoll fließt. Eine ausgesprochen schöne und abwechslungsreiche Strecke!

Obst und Gemüseständer an der Straße zum Ohridsee.  Obst und Gemüseständer an der Straße zum Ohridsee.
Pferde beim Holztransport.  Pferde beim Holztransport.
Oberhalb des Devoll-Stausees.  Oberhalb des Devoll-Stausees.
Mais ist auf einem Feld zu Gaben aufgestellt.  Mais ist auf einem Feld zu Gaben aufgestellt.
Der Devoll-Fluss in einem breiten Schotterbett. Der Devoll-Fluss in einem breiten Schotterbett.

Gramsh - Berat, 53 km, 920 hm

Manche mögen's rau!

Nebenstrecken in Albanien haben es meist in sich. Heute haben wir uns mal wieder bewusst für eine entschieden. Lange Zeit überrascht uns die Strecke positiv. Die Steigung ist nicht zu stark und die steinige Straße vergleichsweise gut gepflegt. Überrascht sind wir über den Verkehr. Bisweilen werden wir im Minutentakt von Geländewagen, aber auch von normalen Pkw überholt. Wildes Buschland wechselt ab mit kleinen Dörfern umgeben von kleinen Feldern. Zu unserer linken haben wir einen schönen Blick auf hohe Berge. Leider ist ziemlich dunstig. Ein älterer Mercedes-Fahrer spricht uns zweimal an. Leider bekommen wir nicht raus was er uns sagen will. Im letzten Dorf des Anstiegs haben sich viele Menschen rund um ein Haus versammelt. Für uns sieht das stark nach einer Feier aus und es könnte der Grund für den starken Verkehr gewesen sein. Danach wird die Strecke schlagartig rauer und steiler. Wir müssen aber nur kurze Passagen schieben. Bergab wird die Strecke dann ziemlich giftig. Sehr steil und sehr rau! Selbst bergab eine ziemliche Herausforderung. Bergauf hätten wir hier keine Chance gehabt. Gut möglich, das uns der Mercedes-Fahrer daher von der Strecke abraten wollte – aber Verrückten soll man bekanntlich nicht widersprechen 😂.

In unserer Unterkunft in Berat empfängt uns der Hausherr mit Raki und Kaffee. Die Burg von Berat liegt rund 150 m über der Altstadt. In der ausgedehnten Anlage haben sich noch viele Häuser und Kirchen erhalten. Anscheinend war es mehr eine Höhensiedlung als eine Burg. Man merkt, dass die Saison vorüber ist. Das Besucheraufkommen ist sehr überschaubar. Den wahrscheinlich schönsten Blick des Tages haben wir kurz nach Sonnenuntergang von der Fußgängerbrücke auf die Altstadt unterhalb der Burg. Das sehr einheitliche Assemble aus Natursteinen ist völlig zu Recht UNESCO-Weltkulturerbe.

Berat - Çorovoda, 80 km, 1255 hm

Für Rafting eindeutig zu wenig Wasser!

Wir folgen dem Fluß Osum stromaufwärts nach Süden. Nahe Berat ist die Straße erst einmal gesäumt von verschiedensten Gewerben. Typisch für die Gegend sind Betriebe, die Steinplatten herstellen. Es folgen landwirtschaftlich genutzte Flächen. Uns fällt einmal mehr auf wie schmal die einzelnen Parzellen sind. Daneben gibt es aber auch Gewächshäuser und sogar einige Weingüter. Wein wächst aber auch in fast jedem Garten und auch in so manchem Café haben wir auch schon unter Weintrauben gesessen. Je weiter wir in das Tal vordringen desto enger wird es. Die Berge zu beiden Seiten sind größtenteils bewaldet. Große Flächen werden augenscheinlich aufgeforstet. Mittlerweile können wir sagen das Albanien ein grünes, weil wasserreiches Land ist. Spuren von Waldbränden1) haben wir nur wenige und lokal sehr begrenzte gesehen. In Çorovoda lassen wir unser Gepäck in unserer Unterkunft. Südlich des Ortes hat der Fluß eine schmale Schlucht gegraben die stellenweise über 100 m tief ist. Von der Straße ist sie leider nur von wenigen Stellen einsehbar. Die Schlucht ist keine 100 m und an einigen Stellen nur wenige Dutzend Meter breit. Die rötlichen Wände erinnern in ihrem Relief an Baumkuchen. Der Osum führt jetzt im Spätsommer nur wenig Wasser. An einer für uns zugänglichen Stelle ist das Wasser noch nicht einmal knietief.

1: Waldbrände haben in diesem Jahr unter anderem in Griechenland schwere Schäden angerichtet.

Der Fluß Osum zwischen Berat und Çorovoda.  Der Fluß Osum zwischen Berat und Çorovoda.
Der Fluß Osum zwischen Berat und Çorovoda.  Der Fluß Osum zwischen Berat und Çorovoda.
Der Fluß Osum zwischen Berat und Çorovoda.  Der Fluß Osum zwischen Berat und Çorovoda.
Sonnenschirm einers beliebten Bieres in einem Café mit Blick auf einen typischen Wohnblock  Sonnenschirm einers beliebten Bieres in einem Café mit Blick auf einen typischen Wohnblock
Blick in die Osum-Schlucht.  Blick in die Osum-Schlucht.
Blick in die Osum-Schlucht, der Fluß führt nur sehr wenig Wasser.  Blick in die Osum-Schlucht, der Fluß führt nur sehr wenig Wasser.
Brücke über die Osum-Schlucht.  Brücke über die Osum-Schlucht.
Blick in die Osum-Schlucht.& Blick in die Osum-Schlucht.

Çorovoda - Berat, 52 km, 540 hm

Abendspaziergang und Autoposer

Wir fahren auf der selben Strecke wie gestern entlang des Osum zurück nach Berat. Heute haben wir hier Sonnenschein. Wir schlendern durch die engen Altstadtgassen der am Hang erbauten Stadt. Berat ist ein tolles Beispiel für die religiöse Toleranz in Albanien. Moschee und Kirche stehen nur wenige hundert Meter voneinander entfernt. Auch steigen wir ein zweites Mal zur Burg hinauf. Ein albanisches Phänomen ist der allabendliche Spaziergang. Jung und alt schlendern durch die Straßen. Es scheint viel ums sehen und gesehen werden zu gehen. Wer ein vorzeigbares Auto hat fährt mit diesem die Straßen auf und ab. Die Polizei zeigt eine starke Präsenz. Wir denken uns - eigentlich sind die Polizisten die größten Autoposer, da sie mit Blaulicht die Straßen auf- und abfahren.

Blick von der Fussgängerbrücke auf Berat.  Blick von der Fussgängerbrücke auf Berat.
Moschee von Berat.  Moschee von Berat.
In den Altstadtgassen von Berat.  In den Altstadtgassen von Berat.
Kirche Shën Todrit in der Burg von Berat.  Kirche Shën Todrit in der Burg von Berat.
Kirche Shën Todrit in der Burg von Berat.  Kirche Shën Todrit in der Burg von Berat.
Altstadt von Berat.  Altstadt von Berat.
Die Altstadt von Berat bei Nacht.  Die Altstadt von Berat bei Nacht.
Die Altstadt von Berat bei Nacht.  Die Altstadt von Berat bei Nacht.

Berat - Elbasan, 75 km, 840 hm

Ölpumpen im Vorgarten und Schwefel im Pool

Auf ruhigen kleinen Straßen geht es durch landwirtschaftlich geprägte Landschaft. Hier sind die Flächen etwas größer und wir sehen auch einige Gewächshäuser.

In und um Kuçova bietet sich ein surreales Bild. Verrostete Ölbohrtürme und Ölpumpen stehen zwischen Häusern, in Vorgärten und direkt neben Gewächshäusern. Nur ein kleiner Teil von ihnen scheint noch in Betrieb zu sein.

Nach einer kurzen Schotter- und Schiebepassage erreichen wir die Schwefelquellen von Llixhat. Den Charme eines Kurortes wollen die verstreut liegen Hotels nicht erzeugen. In einer der Unterkünfte können wir für kleines Geld den Pool mit dem stark schwefelhaltigen, kalten Wasser sowie die kleinen Pools mit dem warmen Wasser nutzen. Wir treffen mal wieder einen Mann, dessen Kinder in Deutschland arbeiten. Obwohl wir kaum eine Stunde in den Schwefelquellen gebadet haben, haben wir große Schwierigkeiten den Geruch loszuwerden.

In Elbasan erleben wir, dass ein Überangebot an Servicekräften nicht unbedingt zu einem besseren Service führt sondern auch das Gegenteil bewirken kann. Die Kellner:innen sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass wir als Gast ewig darauf warten müssen beachtet zu werden.

Ölpumpe neben einem Gewächshaus.  Ölpumpe neben einem Gewächshaus.
Straßenhunde in Elbasan.  Straßenhunde in Elbasan.
Ölpumpe in einem Garten.  Ölpumpe in einem Garten.
Schildkröte am Straßenrand.  Schildkröte am Straßenrand.

Elbasan - Tirana, 64 km, 980 hm

Ein letzter Pass

Zwischen Elbasan und Tirana gibt es zwei Straßenverbindungen. Die Autobahn im Tal und die Nebenstraße über einen 800 m hohen Pass. Wir nehmen natürlich die zweite Variante die ausgesprochen schön ist. Auf den ersten Kilometern können wir das Stahlwerk überblicken, dass Elbasan in sozialistischer Zeit zu einer der dreckigsten Städte Albaniens gemacht hat. Je höher wir kommen desto mehr überblicken wir die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Täler und Bergkämme. Vor Tirana überqueren wir einen zweiten kleineren Hügel, der uns einen schönen Ausblick auf die Stadt verschafft. Durch den "Großen Park" am südlichen Ende der Stadt erreichen wir die Innenstadt ohne Großstadtverkehr.

Abends erkunden wir eine Einkaufsstraße nördlich des Skanderberg-Platzes, die sich als äußerst unterhaltsam herausstellt, da wieder viele mit ihren dicken Autos prahlen und viele Fußgänger unterwegs sind.

Und schon ist unsere Tour zu Ende. Wir nehmen mit das Albanien ein schönes und sicheres Land mit herzlichen Menschen und abwechslungsreichen Landschaften ist. Uns hat's wie immer viel Spaß gemacht! Die COVID-19 Pandemie hat unseren Zeitplan diktiert, sonst wären wir wohl eher im Frühjahr gekommen.

Tolles Pferdegespann.  Tolles Pferdegespann.
Blick von Süden über Tirana.  Blick von Süden über Tirana.
Skanderberg-Denkmal, Moschee und Uhrturm in Tirana.  Skanderberg-Denkmal, Moschee und Uhrturm in Tirana.