Bosnien per Rad - Tagebuch einer Radreise

© Christian Hartmann mail_outline 

Karlsruhe - Ljubljana - Ig, 14 km

In vollen Zügen genießen

Ich habe mir in den Kopf gesetzt mit der Bahn nach Ljubljana zu fahren. Um 6 Uhr geht mein erster Zug. Mit Umstiegen in Stuttgart und München geht es nach Salzburg.

Der Zug nach Ljubljana ist völlig überfüllt. Ich stecke mit meinem Rad im Gedränge fest. Bis Villach ist keine Verbesserung möglich. Die Mitreisenden arrangieren sich mit der Situation und zwängen sich zwischen meinem Rad und "Bergen" von Koffern und Rucksäcken durch, wenn sie zum Klo müssen. Das ist schon sehr anstrengend. In Villach wird der Zug geteilt und 3 zusätzliche Wagen angehängt. Endlich kann ich mein Rad richtig abstellen und mich setzen. Pünktlich um 18:32 bin ich in Ljubljana.

Sloweniens Hauptstadt hat eine schöne Innenstadt. Am Fluss, zu Füßen der Burg pulsiert das Leben. Cafés und Restaurants sind am sommerlichen Samstagabend gut besucht. Ich mache mich aber direkt auf den Weg ins 13 Kilometer südlich gelegene Ig. Dort habe ich ein Zimmer auf einem Bauernhof reserviert. Ich bin total geschlaucht und falle nach dem Duschen gleich ins Bett.

Voller Zug nach Ljubljana  Voller Zug nach Ljubljana
Voller Zug nach Ljubljana  Voller Zug nach Ljubljana
Am Bahnhof in Ljubljana  Am Bahnhof in Ljubljana

Ig - Dol, 126 km, 2160 hm

Locker einrollen

Kaum aus dem Dorf raus, geht es gleich den Berg hoch. Im steten Auf und Ab schlängelt sich die kleine, ruhige Straße durch Wald, Wiesen und kleine Dörfer. Die Wälder sind durchsetzt mit Felsen und Dolinen, was sie urig aussehen lässt. Auf vielen der artenreichen Wiesen stehen Blumen und Gräser gut kniehoch. Grillen zirpen.

Nach gut 45 Kilometern finde ich in Travnik ein Restaurant und gönne mir eine Pizza. Es sind nur wenige Autos aber viel (Renn)-Radfahrer unterwegs.

Die serpentinenreiche Abfahrt nach Osilnica ist schön zu fahren, aber die Ausblicke nicht so spektakulär wie gedacht. Im Kupa-Tal gibt es viele Rafting-Veranstalter und Kajak-Verleiher. Wobei der Fluss für echtes Rafting, in meinen Augen, zu zahm ist. Links ragen die Berge steil auf. Rechts, in Kroatien, ein ähnliches Bild, nur etwas weiter weg. Berge und oft auch das Tal sind dicht bewaldet, so fahre ich meist wie in einem "grünen Tunnel". Über viele Kilometer säumt ein hoher Zaun den Grenzfluss. Was tun wir nicht alles, um uns Flüchtlinge vom Hals zu halten.

In Dol nehme ich ein Zimmer mit Frühstück für 50 € in einer kleinen Pension. Kochen kann ich auf der Terrasse, auf der auch die Familie sitzt.

Im Kupa-Tal  Im Kupa-Tal
Im Kupa-Tal  Im Kupa-Tal

Dol - Slunj, 99 km, 1400 hm

Karst und Wasserfälle

Bis Vinica geht es weiter durch's Kupa-Tal. Dort gibt es Läden und Cafés.

In Kroatien geht es auf ruhigen Straßen durch Karst. Eine offene Landschaft mit Gras, hier und da Büschen oder kleinen Wäldchen. In den porösen Karstböden versickert Wasser besonders schnell. Daher steht an der Oberfläche nur wenig Wasser zur Verfügung. Lösungsprozesse schaffen in der Tiefe Höhlen. Brechen diese ein, entstehen an der Oberfläche trichterförmige Krater, die Dolinen. Häufig ist die Humusschicht nur dünn, sodass das Deckgestein hier und da zutage tritt. Intensive Landschaft ist hier nicht möglich. Das Wasser sammelt sich in Höhlensystemen und tritt in Karstquellen als "fertiger Fluss" zu Tage. Zu einer eher kleinen Quelle wandere ich mittags nahe Zdenac.

In Slunj ziehen die Slunjčica-Wasserfälle viele Besucher an. Der Fluss verästelt sich hier vielfach, schafft zig "Inseln" bevor er in zahlreichen Wasserfällen bis zu 20 Meter in die Tiefe stürzt. Schon lange haben Menschen die Wasserkraft in zahlreichen Mühlen genutzt. So hat sich quasi mitten im Fluss ein Ort entwickelt. Die große Mehrheit, wenn nicht alle, Gebäude sind heute Unterkünfte oder Restaurants. So kann ich für 42 € im Herzen des Ortes übernachten.

Tounjčice-Quelle bei Zdenac  Tounjčice-Quelle bei Zdenac
Slunjčica-Wasserfälle  Slunjčica-Wasserfälle
Slunjčica-Wasserfälle  Slunjčica-Wasserfälle
Slunjčica-Wasserfälle  Slunjčica-Wasserfälle
Slunjčica-Wasserfälle  Slunjčica-Wasserfälle
Slunjčica-Wasserfälle  Slunjčica-Wasserfälle

Slunj - Ripač, 107 km, 1240 hm

Entlang der EU Außengrenze

Die kleine Straße Richtung Bosnien ist sehr ruhig und schön zu fahren. Zu dumm, dass den Grenzübergang nur Kroaten und Bosnier passieren dürfen.

Parallel zum Grenzfluss schlängelt sich ein schmaler Weg im steten Auf und Ab durch dichten Wald. Auf den ersten rund 10 Kilometern ist er rau und oft steil. Auf diesem schwierigen Weg treffe ich mehrfach auf Polizei, die hier offensichtlich die EU-Außengrenze bewacht. Leichter Regen verstärkt das etwas unheimliche Gefühl. Mitten im Wald gibt es einen weiteren Übergang. Schotterstraße, Grenzhäuschen, Brücke, Bosnien. Einmalig! Aber natürlich darf ich auch Diesen nicht passieren. Als die Straße wieder asphaltiert ist, sind es nur noch 15 Kilometer nach Plitvice. In den kleinen Dörfern gibt es zig Pensionen. Dann leider, was ich vermeiden wollte, Hauptstraße und LKW. Die Wartezeit an der Grenze ist zum Glück kurz, die Abfertigung schnell und unkompliziert.

Abfahrt nach Bihać. Ich komme nicht gerade von der "Schokoladenseite" in die Stadt. Die vielen Straßenhunde sind träge und fast schon schreckhaft. In der Innenstadt duftet es nach Lavendel. Am Geldautomaten ziehe ich Bosnische Mark, das funktioniert erfreulich unkompliziert.

Das Una-Tal ist ausgesprochen schön. Grün, weit und von bewaldeten Bergen eingerahmt. Die Lohovo-Stromschnellen liegen schon im Una-Nationalpark. Auch der Ort Ripač ist attraktiv. Die einfache Unterkunft direkt am Fluss kostet 20 €. Mein Gastgeber spricht kein Englisch, was die Verständigung erschwert. Auch ein junges Paar aus Saudi-Arabien hat sich hier einquartiert. Die Frau trägt einen Niqab, einen Gesichtsschleier. Sehr gewöhnungsbedürftig.

Kapitänsturm in Bihać  Kapitänsturm in Bihać
Burg Sokolač  Burg Sokolač
Lohovo Stromschnellen  Lohovo-Stromschnellen
Die Una in Ripač  Die Una in Ripač

Ripač – Drvar, 104 km, 1440 hm

Tolle Wasserfälle im Una-Tal

Auf der Hauptstraße geht es den Berg hinauf. Es wird gerade eine dritte Fahrspur hinzugefügt. Der Weg durch den Nationalpark ist leider gesperrt. Nach ein paar weiteren Kilometern auf der M5 rausche ich, auf einer asphaltierten Nebenstraße, den Berg hinunter. Eine unbefestigte Stichstraße führt zu den beeindruckenden Štrbački-Wasserfällen. Der Eintritt beträgt 4 €. Auch hier tragen viele Besucher:innen lange, arabische Gewänder.

Ich folge der Una weiter nach Süden. Das ruhige Tal ist geprägt von Wald und Wiesen mit hohem Gras. Entlang der Straße weisen Schilder etliche Camps aus, oft kaum mehr als eine gemähte Wiese. Beim Kloster Martin Brod gibt es einen weiteren Wasserfall zu bestaunen. Hier werden 1,50 € Eintritt fällig.

Die Straße verlässt das Tal und klettert den Berg hinauf. Bald bin ich auf einer trockenen Hochebene. Es ist weiterhin Grün und doch ganz anders. Die Bäume sind kleiner, vielleicht 5 Meter hoch, die Luft ist trockener und irgendwie scheint das Grün heller zu sein. Auf den ersten Kilometern eröffnen sich einige beeindruckenden Blicke ins Tal. Die Straße wirkt schnurgerade. Alle paar Minuten ein Auto. Auf der Straße wärmen sich kleine Eidechsen und die Luft ist geradezu erfüllt von Schmetterlingen.

Abfahrt nach Drvar. Die Stadt sieht erst nicht so einladend aus, stellt sich aber als gute Wahl heraus. Ich finde eine riesige Wohnung mit 3 Schlafzimmern, Küche, 2 Wohnzimmern und WC mit Waschmaschine für 15 €. Die Verständigung erfolgt mal wieder mit Übersetzungs-Apps sowie Händen und Füßen.

Štrbački-Wasserfälle  Štrbački-Wasserfälle
Štrbački-Wasserfälle  Štrbački-Wasserfälle
Štrbački-Wasserfälle  Štrbački-Wasserfälle
Štrbački-Wasserfälle  Štrbački-Wasserfälle
Wasserfälle bei Martin Brod  Wasserfälle bei Martin Brod
Wasserfälle bei Martin Brod  Wasserfälle bei Martin Brod
Wasserfälle bei Martin Brod  Wasserfälle bei Martin Brod

Drvar – Šipovo, 108 km, 1540 hm

Dolinen, überall Dolinen

Von Drvar aus geht es langsam hoch auf 1000 Meter. Die Gegend ist einsam, nur wenige kleine Siedlungen, 10 - 20 Häuser, liegen an der Strecke. Ausgeprägter Karst mit vielen Dolinen prägt die Landschaft. Die Einsturzkrater messen einige Meter bis wenige zehn Meter im Durchmesser. Sie sind so zahlreich, man könnte meinen, hier wäre ein überdimensionaler Hagelschauer runtergekommen. Gräser, Blumen, weiße Felsen und vereinzelt kleine Büsche bestimmen das Bild. Im Hintergrund wachsen die Berge etwas höher und haben lichten Baumbestand. Viele Insekten, Schmetterlinge und Vögel. Keine Weidetiere und kaum Autos. Dafür alle halbe Stunde ein schwerer Holz-LKW. Die Strecke ist nicht durchgehend asphaltiert, viele Kilometer sind geschottert.

Nach etwa 50 Kilometern führt ein weiterer Anstieg in dichten Nadelwald. Auf 1200 Metern fahre ich in den Wolken. Bisher war es sehr warm, jetzt ist es empfindlich frisch und ich krame erstmals warme Sachen aus meinen Taschen. Die Wolken ziehen von der Seite die Berge hoch, die ich jetzt runter sause. So dauert es eine Weile, bis ich aus ihnen raus bin.

Donji Baraći bietet ein Café, ein einfaches Motel und einen kleinen Laden und ist damit ideal für eine (späte) Mittagspause. Die Straße zum Fluss Pliva säumen mehrere Sägewerke. Ich folge dem Fluss zu seinen Quellen. Bei der Hauptquelle strömt ein ganzer Bach aus einer Höhle direkt aus dem Berg. Sehr beeindruckend!

Auch heute finde ich spontan ein Zimmer für 20 €. Ein pensionierter Bio-Lehrer hat in seinem Garten einen Standard Container mit Schlafzimmer, Küche und Dusche aufgestellt. Zur Begrüßung spendiert er mir ein Bier. Obwohl gebildet und sehr aufgeschlossen, spricht auch er kein Englisch. App sei Dank, können wir uns doch etwas Unterhalten.

Pliva-Quelle  Pliva-Quelle.
Pliva-Quelle  Pliva-Quelle

Šipovo – Jajce, 99 km, 1170 hm

Eine lohnenswerte Schleife

Zum Frühstück gibt's erst mal nur einen, selbst gemachten, türkischen Kaffee. In Šipovo, rund 5 Kilometer weiter, dann Börek und was Süßes beim Bäcker. Jajce ist bekannt für den Wasserfall unterhalb und die Festung oberhalb der Altstadt. Die Pliva stürzt hier 20 Meter in die Vrbas-Schlucht. Die Altstadt ist stark auf die zahlreichen Touristen ausgerichtet. Für den Zugang zum Wasserfall werden stolze 5 € fällig. Wenn Athleten vom Wasserfall springen, mag das gerechtfertigt sein. So steht man nur im Sprühnebel und ist für gute Fotos zu nah dran. Von der Straße gegenüber hat man die richtige Perspektive – und muss nichts zahlen.

Entlang des Vrbas fahre ich Richtig Banja Luka. Der Fluss schlängelt sich durch eine tiefe, enge Schlucht. Auf der Hauptstraße ist nicht übermäßig viel Verkehr. Autos und LKW fahren langsam und nehmen Rücksicht. Es duftet nach Veilchen. Ich fahre bis zu einer tollen Flussschleife.

Über die Berge radele ich zurück nach Jajce. Die Gegend ist sehr ländlich. Ein Mosaik aus Wäldern, Wiesen und Feldern. Teile der Strecke sind unbefestigt und recht rau.

In Jajce suche ich lange nach einer Unterkunft. Der Name Apartman Horizont kommt nicht von ungefähr, bei Steigungen kennen die Bosnier keine Gnade. Mit 30 € ist das Preis/Leistungs-Verhältnis mal wieder super. Eine Waschmaschine ist immer sehr willkommen. Die Küche fast schon obligatorisch. Abends schlendere ich noch durch die Altstadt und besuche die Festung.

Wasserfälle in Jajce  Wasserfälle in Jajce
Flussschleife des Vrbas  Flussschleife des Vrbas
Wassermühlen bei Jajce  Wassermühlen bei Jajce
Wassermühlen bei Jajce  Wassermühlen bei Jajce
Festung oberhalb von Jajce  Festung oberhalb von Jajce