Bosnien per Rad - Tagebuch einer Radreise

© Christian Hartmann mail_outline 

Blagaj - Boračko-See, 76 km, 1490 hm

Schnell weg hier

Der Weg nach Mostar und auch die Stadt sind verkehrsreich. Aus einer kleinen Seitenstraße habe ich einen tollen Blick auf die bekannte Brücke. Rund um diese reihen sich Cafés, Restaurants und Souvenirläden in kleinen, überfüllten Gassen aneinander. Ja, sieht schick aus, hat aber mit dem "echten" Bosnien nicht viel zu tun. Mich spricht das gar nicht an.

Im Supermarkt noch mal Proviant auffüllen und ab in die Berge. Viel besser! Die Straße ist lange asphaltiert. Allerdings ist es wieder sehr heiß. So heiß, dass ich jeden Schatten nutze, um mich etwas abzukühlen. Tolle Serpentinen. Oben ein Hotel. Zeit für einen Kaffee.

Weiter geht es auf Schotter. Der ist meist okay zu fahren, nur einige raue Abschnitte. Schöne Ausblicke, erst auf die Berge, dann auch auf den Boračko-See. Die Straße führt jetzt oft durch dichten Wald. Bergauf war schon kaum Verkehr, hier ist fast keiner mehr unterwegs. Zum See hinunter eine rasante Abfahrt auf Asphalt.

Der Boračko-See scheint ein beliebtes Wochenend-Ziel zu sein, gut was los hier. Überall Menschen in Badehosen. Der Geruch von Gegrilltem liegt in der Luft. Eine Unterkunft zu finden gestaltet sich schwierig. Am Ende finde ich eine Hütte auf einem Campingplatz für 25 €. Preis/Leistung passen hier nicht. Aber wegen der vielen Mücken trotzdem eine gute Wahl. Ringsum qualmen bald die Grills. Der Soundtrack kommt von einem Jugendzeltlager in der Nähe. Aus unerklärlichen Gründen liegen ringsum viele Familien noch lange im Gras um ihre Grills, als ich mich schon lange vor den Mücken in meine Hütte geflüchtet habe.

Stari most (Alte Brücke) in Mostar  Stari most (Alte Brücke) in Mostar
Tolle Serpentinen  Tolle Serpentinen (R435a)
Bergweld auf dem Weg zum Boračko-See  Bergwelt auf dem Weg zum Boračko-See
Straße R435 nach Nevesinje  Straße R435 nach Nevesinje
Blick auf den Boračko-See  Blick auf den Boračko-See (von R435)
Blick auf den Boračko-See  Blick auf den Boračko-See

Boračko-See – Kalinovik, 59 km, 1780 hm

Von Kühen und der Nähe zu Moskau

Auf Asphalt geht es den Berg hinauf. Die Neretva schlängelt sich durch ein waldreiches Tal. Die Straße klettert immer höher über den kleinen Fluss. Oben angekommen beginnt der Schotter und ein fröhliches Auf und Ab. Erst ist der Weg gar nicht so schlecht, aber so mancher Abschnitt verlangt dann doch viel Konzentration. Dabei ist es eine "normale" Straße mit Wegweisern – darunter welche nach Sarajevo. Reste von Asphalt rund um ein Brücke weisen darauf hin, dass die Straße wohl mal besser war.

Aus taktischen Gründen bleibe ich in Kalinovik. Hier gibt es Läden und Cafès. Und meine Beine habe auch nichts dagegen, dass mal um 16 Uhr Feierabend ist. Hinter der Rezeption des Hotels Москва (Moskau) hängt ein Bild von Herrn Putin. Mobiliar auf den Fluren, kaputte Türklinken, ein Loch in der Wand, wo mal der Geldautomat war. Es gibt schönere Unterkünfte.

Die Englisch-Kenntnisse bei Jung und Alt sind dürftig. Selbst einfachste Fragen werden oft nicht verstanden. Erstaunlicherweise nützt mein bescheidenes Russisch oft auch nicht viel.

Abends kommen 2 Kühe in den Ort. In aller Ruhe kreuzen sie die Straße, grasen auf den Grünflächen. Die Einheimischen beachten sie gar nicht. Die Kinder spielen im kleinen Park neben den Kriegsdenkmal, über dem die russische Flagge weht. Die Cafés sind gut besucht. Autofahrer halten spontan an, um mit Freunden am Wegesrand zu reden. Stört niemanden, da eh nur alle paar Minuten ein Auto vorbeikommt. Warum viele den Motor nicht abstellen, wenn sie zum Beispiel einkaufen, erschließt sich mir nicht. Der Sprit ist kaum günstiger als bei uns.

Blick ins Ljuta-Tal  Blick ins Ljuta-Tal (R436)
Doline  Doline
Kühe in Kalinovik  Kühe in Kalinovik

Kalinovik - Tjentište, 65 km, 1610 hm

Bergstrecke par excellence

Anfangs ist die Steigung moderat und der Schotter gut fahrbar. Lange folgt die Straße einem Bach durch dichten Wald. Und das ist ein Problem. Ich bin eingehüllt in eine "Wolke" aus Insekten. Darunter auch Mücken und Bremsen, die es auf mein Blut abgesehen haben. Das nervt mit der Zeit. Zum Glück hört der Wald irgendwann mal auf und die Blutsauger sind weg.

Jetzt wird es mit jedem Kilometer schöner. Die Berge an der Grenze zum Sutjeska-Nationalpark sind hier knapp 2000 m hoch. Und hinter jeder Kurve bieten sich neue tolle Ausblicke. Die artenreichen Wiesen duften gut. Mich überholen schwere Holz-LKW. Das erklärt den schlechten Zustand einiger Abschnitte. Die Hütte am Jugovo-See wird nicht mehr bewirtschaftet. Ich nutze Tische und Bank auf der Veranda für meine Mittagspause. Der Pass ist in rund 1700 m erreicht. Auf dem Weg ins Tal vereinzelte kleine Bauernhöfe. Wasser ist kein Problem, am Wegesrand gibt es immer wieder Brunnen mit eiskaltem Nass.

Dann verlasse ich die Straße (R434) um schneller ins Tal zu gelangen. Erst ist der Unterschied gar nicht groß. Bald aber geht es mit geschätzt 15 – 20 % den Berg hinab. Und auch hier fahren Holz-LKW. Die Hinterradbremse ist im Dauereinsatz. Oh man, das möchte ich nicht rauffahren.

Im Tal angekommen geht es gleich durch die fotogene, enge Sutjeska-Schlucht. Unten grün, oben felsig. Pinien klammern sich in luftiger Höhe auf Felsnadeln fest. Tolle Unterkunft für 25 €. Im Garten sitzen zwei nette, alte Damen, die mir was mitteilen wollen – aber ich verstehe kein Wort.

Bergeweld westlich des Sutjeska Nationalpark  Bergeweld westlich des Sutjeska-Nationalpark (R434)
Wanderwege  Wanderwege
Der Jugovo See  Der Jugovo-See
Der Jugovo See  Der Jugovo-See
Kurz vorm Pass  Kurz vorm Pass
Schafherde unterhalb des Passes  Schafherde unterhalb des Passes
Bauernhöfe auf dem Weg ins Tal  Bauernhöfe auf dem Weg ins Tal
Sutjeska Nationalpark  Sutjeska-Nationalpark
Bauernhöfe auf dem Weg ins Tal  Bauernhöfe auf dem Weg ins Tal
Sutjeska Schlucht  Sutjeska-Schlucht (M20)
Sutjeska Schlucht  Sutjeska-Schlucht

Tjentište - Tjentište, 86 km, 2180 hm

Mal hinten ohne

Ohne Gepäck geht es, auf kleinen Wegen, in den Nationalpark. Erst Richtung Maglič, dem mit 2386 m höchsten Berg Bosniens, an der Grenze zu Montenegro. Ziel ist der Aussichtspunkt auf den Skakavac-Wasserfall. Hm? Der Ausblick ist schon toll, aber der Wasserfall bestimmt einen Kilometer entfernt. Ich klettere die Straße weitere 4,5 Kilometer hinauf. Viel Wald wenig Aussicht. Und vom Fahren her reines Mountainbiking. 1000 Höhenmeter rauf und wieder runter, bis die Handgelenke schmerzen.

Nach der Mittagspause in der Unterkunft, auf der anderen Talseite, 1000 Höhenmeter rauf, vorbei an der Hrčavka Schlucht, zum Donje-See. Gefühlt ist diese Strecke noch fordernder. Und wieder bleiben die Ausblicke hinter meinen Erwartungen zurück. Das muss nicht unbedingt am Sutjeska-Nationalpark liegen. Der ist unter anderem für seinen Buchen-Urwald Perućica bekannt. Ich liebe aber eher offene Landschaften mit weiten Ausblicken – so wie gestern.

Skakavac-Wasserfall  Skakavac-Wasserfall
Blick Richtung Montenegro  Blick Richtung Montenegro
Hrčavka Schlucht  Hrčavka-Schlucht

Tjentište - Nevesinje, 95 km, 980 hm

Mal ganz gechilled

In der Nacht ist ein Gewitter durchs Tal gezogen. Mit all den hohen Bergen ringsum "scheppert" das schon ganz ordentlich. Morgens geht der Kredit-Kartenleser erst nicht. Im Gespräch über die Ursache fällt mir auf, dass mein Vermieter nicht von Bosnien, sondern von der Republika Srpska (Serbische Republik) spricht. Ein Indiz dafür, dass er sich eher mit dem serbisch geprägten Landesteil identifiziert als mit dem Land Bosnien.

Durch die Sutjeska-Schlucht geht es bergauf. Obwohl eine Magistrale, also eine wichtige Hauptstraße, ist der Verkehr auf der M20 schwer okay. Es geht durch mehrere Tunnel, einer 2 Kilometer lang. Alles ganz entspannt. Die Landschaft verändert sich, die Berge werden niedriger, die Wälder werden weniger und machen Platz für Wiesen und Felder. Der Klinje-Stausee bringt etwas Blau in die Landschaft.

In Gacko fühle ich mich an die Berliner Schnauze erinnert. Die Menschen haben was schroffes an sich, keiner kann oder will Englisch sprechen und wenn ich sie dann nicht verstehe, schauen sie mich verständnislos an. Am Ortsrand steht ein Braunkohlekraftwerk am Rand eines Tagebaues. Die Anlagen sehen mehr wie Industrieruinen aus, denn wie etwas, das noch Strom produziert. Bei den Fahrzeugen sieht es nicht besser aus. Das Ganze ist so hässlich, dass es schon wieder reizvoll ist.

Auf einer ganz ruhigen Straße geht es nun fast nur noch leicht bergab. Das Zalomka-Tal ist von bewaldeten Hügeln eingefasst, die einige zehn Meter hoch sind. Im Tal fließt der namensgebende Bach. Um diesen Wiesen und mal ein kleiner Acker. Viele Hausgerippe. Die werden offensichtlich nicht abgerissen. Die Bosnier bauen ihre neuen Häuser einfach daneben. In vielen der Ruinen wachsen Bäume, die teilweise den Dachfirst schon überragen. Die Strecke ist durchaus schön, aber nicht sonderlich fotogen. Ich genieße das entspannte Dahinrollen.

In Nevesinje fahre ich 3 mal um die kleine Altstadt, auf der Suche nach der Unterkunft, die ich in Booking gesehen habe. Am Ende stellt sich heraus, dass sie wenige hundert Meter falsch in der Karte eingetragen ist und ich schon 3 mal daran vorbei gefahren bin. In Kroatien wurden wir bald angesprochen, wenn wir eine Weile in einer Innenstadt standen. Hier hätte ich noch Stunden "um den Pudding" fahren können. Die Unterkunft ist aber klasse - endlich mal wieder eine Klimaanlage.

Sutjeska Schlucht  Sutjeska-Schlucht
Klinje Stausee  Klinje-Stausee
Stecke zum entspannten Rollem  Stecke zum entspannten Rollen
Hausgerippe in dem Bäume wachsen  Hausgerippe in dem Bäume wachsen
Heu vor einem Bruchsteinschuppen  Heu vor einem Bruchsteinschuppen

Nevesinje – Eco Sello Bjelimiči , 87 km, 1780 hm

20 Kilometer1) machen einen großen Unterschied

Die sehr ruhige Schotterstraße Richtung Kalinovik ist gut zu fahren und ausgesprochen schön. Die Schlucht zur Linken beschert mir immer wieder schöne Ausblicke. Auf den ausgedehnten Wiesen ohne Zäune grasen hier und da kleine Kuh- oder Schafherden. Mit Felsen durchsetzte Wiesen bestimmen das Bild. Erstaunlich, wie sehr sich die R433, von der R434 unterscheidet, die ich von Kalinovik nach Tjentište gefahren bin. Der unscheinbare Bach in der Abfahrt ist die junge Neretva.

Es folgt die anspruchsvolle Schotterstrecke, die ich, in umgekehrter Richtung, nach Kalinovik gefahren bin. Ein Abschnitt ist frisch abgeschoben. Dabei wird mit einem "Erdhobel" der Schotter geebnet und anschließend mit einer Straßenwalze wieder verdichtet. Die Oberfläche ist dann wieder eben, oft aber eher "weich". Das zeigt mal wieder wie schnell sich der Zustand einer Schotterstraße ändern kann. Die Ausblicke sind auch heute großartig. Das Auf und Ab geht auch auf dem Weg nach Norden fröhlich weiter.

Die Karte kennt ein Eco Sello, also ein Öko Dorf. Wobei öko irreführend ist, traditionell trifft es besser. In diesem Fall ist auch Dorf irreführend. Es gibt ein altes Haus und ein Restaurant. Beide werden von einem alten Mann geführt. Die Verständigung geschieht mal wieder mit Händen, Füßen, einzelnen Worten und viel Vertrauen. Im alten Haus gibt es oben einen Raum mit 4 Betten. Bad und Küche sind im Erdgeschoss. In der kleinen Küche steht ein bequemer Sessel neben dem Ofen. Wie so viele Bosnier raucht auch der "Alte" viel, auch im Restaurant. Dort gibt es kaltes Bier. Einige Scheiben leckeren Schinken bekomme ich geschenkt. Im Fernsehen sind die Überschwemmungen im Norden des Landes das große Thema.

1: Die Straßen R433 und R434 liegen nur 20 Kliometer voneinander entfernt und sind doch sehr unterschiedlich.

Auf der R433  Surdup-Tal (R433)
Surdup-Tal  Surdup-Tal
Surdup-Tal  Surdup-Tal
Doline  Doline
Blick ins Gvozdnara-Tal (R433)  Blick ins Gvozdnara-Tal (R433)
Blick ins Gvozdnara-Tal  Blick ins Gvozdnara-Tal
Oberhalb Gvozdnara-Tals  Oberhalb Gvozdnara-Tals
Brunnen  Brunnen
Oberhalb Jezerac-Tals (R433)  Oberhalb Jezerac-Tals (R433)
Oberhalb Neretva-Tals (R433)  Oberhalb Neretva-Tals (R433)
Oberhalb Neretva-Tals  Oberhalb Neretva-Tals
Brücke über den Fluss Ljuta  Brücke über den Fluss Ljuta (R436)
Auf den Weg nach Agrud, Blick ins Ljuta-Tal  Auf den Weg nach Agrud, Blick ins Ljuta-Tal
Rijeka-Tal nördlich von Odžaci  Rijeka-Tal nördlich von Odžaci

Eco Sello Bjelimiči - Dujmovići, 78 km, 1740 hm

Durch einsame Täler zum bekannten Dorf

Auf den ersten 7 Kilometern klettert die Straße 500 Höhenmeter das Rijeka-Tal hinauf. Die Bauern treiben ihre Kühe auf die Weiden. Oft sind es kaum 10 Tiere. Auch die Landschaft ist von Beginn an super schön. Die mit Felsen und kleinen Wäldern durchsetzten Wiesen sind eingerahmt von bewaldeten Bergen. Ein Mosaik aus Grüntönen mit weißen und grauen Tupfern drin. Erst in der Abfahrt finde ich ein Restaurant, in dem ich frühstücken kann.

Dann geht es wieder den Berg hinauf und anschließend 10 Kilometer durch das Bjelašnica-Hochtal. Dies wirkt trocken, ist von mageren Wiesen und Felsen geprägt. Es ist windig, Wolken ziehen auf. Sieht fast so aus, als braue sich da was zusammen. Das Lukomir eines der Top 10 Ziele1) in Bosnien sein soll, halte ich für übertrieben. Das kleine Dorf ist zweifellos schön und sehr ursprünglich, der Blick in die Rakitnica-Schlucht ist klasse. Allerdings bietet gefühlt jedes Haus entweder Strickwaren an oder ist ein Café. Hoffentlich erleidet das 81 Einwohner zählende Dorf nicht das Schiksal der Kravica-Wasserfälle!

Mein Bedarf an kleinen Schotterstraßen ist zur Zeit gedeckt. Ich nehme die Hauptstraße in den Skiort Babin Do, einer der Austragungsorte der olympischen Winterspiele 1984 und ein ziemlicher Kontrast zu Lukomir. Viele große Hotels. Einige neu und modern, andere alt und abgerockt. Im Supermarkt decke ich mich wieder ein, versäume es aber mit einem großen Schein zu zahlen, um kleine Scheine in der Tasche zu haben.

Die Unterkunft in Dujmovići ist schon sehr einfach. Nicht zum ersten Mal gibt es im Bad kein Waschbecken. Das Restaurant läuft wohl auch nicht mehr. Der Himmel ringsum wird immer dunkler. Um 22 Uhr zieht dann tatsächlich ein kurzes kräftiges Gewitter über den Ort.

1: In der Karte von "Freytag & Berndt" ist Lukomir als Top-Ziel herausgehoben.

Türkischer Kaffee  Türkischer Kaffee
Rijeka-Tal nördlich von Odžaci  Rijeka-Tal nördlich von Odžaci
Rijeka-Tal  Rijeka-Tal
Rijeka-Tal kurz vorm Pass  Rijeka-Tal kurz vorm Pass
Heureiter in Sinanovići  Heureiter in Sinanovići
Sinanovići  Sinanovići
Östliches Ende der Rakitnica-Schlucht   Östliches Ende der Rakitnica-Schlucht
Oberhalb von Umoljani  Oberhalb von Umoljani
Oberhalb von Umoljani  Oberhalb von Umoljani
Rakitnica-Schlucht  Rakitnica-Schlucht
Lukomir  Lukomir
Lukomir  Lukomir
Bjelašnica-Hochtal  Bjelašnica-Hochtal
Bjelašnica-Hochtal  Bjelašnica-Hochtal
Bjelašnica-Hochtal  Bjelašnica-Hochtal