Bosnien per Rad - Tagebuch einer Radreise

© Christian Hartmann mail_outline 

Jajce - Trvanik, 94 km, 2310 hm

Autsch!

Aus Jajce raus geht es gleich gut den Berg hinauf. Auf den ersten Kilometern säumen Dörfer die Straße. Deren Abstände werden nach oben hin immer größer. Wiesen und Nadelwald bestimmen dort das Bild. Mir kommt der Begriff "Almen" in den Sinn, auch wenn dieser nicht ganz treffend ist. Oben auf 1280 m angekommen, ist Schluss mit Asphalt. Über viele Kilometer geht es auf, gut zu fahrenden, Schotter durch dichten Nadelwald.

Kurz vorm Erreichen der Hauptstraße ein Fest. Menschen tanzen auf einer Wiese im Kreis. Es reicht nach Gegrilltem. An der Straße verkauft eine Frau Käse. 400 g für 4 €. Sehr lecker, rauchig.

Bald merke ich, dass das Vlašić-Gebirge bei einheimischen Urlaubern beliebt ist. Käse, Honig und Unterkünfte werden allen Orten angeboten. Der Ferienort Babanovac breitet sich immer mehr aus. Das nimmt der schönen Bergwelt vorübergehend etwas ihren Reiz.

Auf rauem Schotter fahre ich Richtung Gipfel. Nahe der Berghütte habe ich großartige Ausblicke auf die steile Felswand. Auf der Abfahrt wird eine kurze Unachtsamkeit sofort bestraft. In einer steilen Passage stürzte ich. Autsch, das linke Knie ist gut ramponiert. Der Aussichtspunkt auf der anderen Seite der Hauptstraße bleibt hinter meinen Erwartungen zurück.

Schöne Abfahrt nach Trvanik. Mir kommen mehrere Rennradfahrer entgegen. In Booking sind zwar etliche Unterkünfte verzeichnet, meist sind es Wohnungen in großen Wohnblöcken. Mal eben klingeln und "Hallo, hier bin ich" sagen geht da nicht. Also buche ich bei Booking. Der Vermieter hat offenbar nicht mehr mit Gästen gerechnet und braucht fast eine Stunde bis er da ist. Um 20:15 kann ich endlich in die Wohnung. Der junge Zahnarzt vermietet die Wohnung seiner Mutter. Immer wieder interessant "echte" Wohnungen zu sehen. Mein Knie versorge ich nach dem Duschen mit Betaisodona und einer Mullbinde. Nachdem das Blut abgewaschen ist, sieht es gar nicht mehr so schlimm aus.

Blick vom Vlašić  Blick vom Vlašić
Blick vom Vlašić  Blick vom Vlašić
Abfahrt vom Vlašić  Abfahrt vom Vlašić
Hadži Ali-Begova Moschee und Sahat Turm in Trvanik  Hadži Ali-Begova Moschee und Sahat Turm in Trvanik

Trvanik - Ripci, 106 km, 1310 hm

Ein fotogenes Kleinod

Es ist Sonntag, der Bäcker hat geschlossen, dafür der Lebensmittelladen geöffnet. Auf ruhigen Straßen radel ich durch Felder. Viele Menschen sind auf dem Weg zum Gottesdienst. Dann geht es lang und flach durch Wald bergauf. Mitten im Nirgendwo kauern Welpen am Straßenrand. Sie laufen mir lange nach und winseln herzzerreißend, aber ich kann nichts für sie tun.

Auch bergab ist das Gefälle sehr moderat. Viel Wald, ein Bach und Felsen beiderseits der Straße. Gornji Vakuf-Uskoplje ist mit zahlreichen Cafés, Läden und Bäckern ideal für die Mittagspause. Der Abstecher zum Ždrimacki-Wasserfall ist jede Mühe wert. Superschön, am Ende eines Tals, liegt das sehr fotogene Kleinod.

Auf ruhigen kleinen Straßen radel ich durch ein fruchtbares Tal und anschließend durch waldreiche Berge. Die großen Himbeerfelder im Tal ähneln Weinstöcken.

Am Rama-See finde ich eine Unterkunft für 20 €. Im Erdgeschoss betreibt die Familie ein Café. Um 19 Uhr ist das Franziskanerkloster auf der Halbinsel Šćit für Besucher schon geschlossen. In "meinem" Café isst die Familie auf der Veranda zu Abend und ich bin "natürlich" eingeladen. Als sie dann auch fürs Bier kein Geld wollen, wird es mir langsam unangenehm.

Bosnier fahren eher bescheidene Autos älteren Baujahres. VW Golf, Polo, Passat und Caddy sieht man recht häufig. Aber auch französische, japanische und koreanische Autos gehören zum Straßenbild. Luxus Autos deutscher Premium-Marken sind eher selten - kein Vergleich zu Albanien, wo diese erstaunlich zahlreich sind.

Moschee in Gornji Vakuf-Uskoplje  Moschee in Gornji Vakuf-Uskoplje
Ždrimacki-Wasserfall  Ždrimacki-Wasserfall
Ždrimacki-Wasserfall  Ždrimacki-Wasserfall
Ždrimacki-Wasserfall  Ždrimacki-Wasserfall
Ždrimacki-Wasserfall  Ždrimacki-Wasserfall
Rama-See  Rama-See

Ripci - Ravna, 91 km, 1260 hm

Unerwartet anstrengend

Auch morgens um 9 kann das Kloster noch nicht besucht werden. Ich fahre erst im Westen und dann im Süden am See entlang. Leider gewähren die vielen Bäume nur selten einen freien Blick auf das Gewässer. Im ersten Ort ein Café. Wie immer sind die Männer sehr aufgeschlossen. Hier kann einer Englisch und übersetzt für die Anderen.

Bald nach dem Ort beginnt der Schotter. Einige Passagen muss ich schieben, zu steil, zu lose und oft auch zu zerfurcht ist der Untergrund. Ein Motorrad und ein "Jeep" kommen mir entgegen. Der dichte Wald bietet Schatten. Oben, auf dem Blidinje-Plateau, eine offene, von Bergen eingerahmte Landschaft. Puh, dass es so anstrengend würde, hatte ich nicht erwartet.

Die Abfahrt auf Asphalt belohnt für die Anstrengungen. Das Doljanka-Tal ist klasse. Ich merke, wie es wärmer wird, je tiefer ich komme. Eine alte Frau verkauft Himbeeren frisch vom Feld, oh wie lecker!

Jablanica spricht mich gar nicht an. Die Magistrale im Tal ist verkehrsreich, laut und stinkt nach Abgasen. Ich wechsel noch im Ort auf die andere Flussseite. Dort folgt eine kleine Straße einer alten Bahnstrecke. Ein Unterschied wie Tag und Nacht zur Hauptstraße. Im Ravančica-Tal finde ich eine Unterkunft mit einer unglaublichen Aussicht auf die Berge. Wenige Wochen alte Kätzchen tollen herum. Das Bier wird in kaltem Quellwasser gekühlt. Man bedient sich und geht dann in den winzigen Laden, um zu bezahlen. Unterkunft und Laden werden von zwei Schwestern geführt. Ehe ich mich versehe, spendiert mir ein alter Herr ein Bier.

Rama-See  Rama-See
Auf dem Blidinje-Plateau  Auf dem Blidinje-Plateau
Das Doljanka-Tal  Das Doljanka-Tal
Im Doljanka-Tal  Im Doljanka-Tal
Im Doljanka-Tal  Im Doljanka-Tal
Junges Kätzchen  Junges Kätzchen
Im Ravančica-Tal  Im Ravančica-Tal
Berge im Abendlicht  Berge im Abendlicht

Ravna – Posušje, 90 km, 1820 hm

Ich werde gegrillt

Die M17 nach Mostar ist auch heute Morgen stark befahren. Sie führt durch die schöne, felsige Neretva-Schlucht. Bei dem Verkehr kann ich die Landschaft aber nicht wirklich genießen. Da es bergab geht, ist dieser Abschnitt aber schnell "erledigt". Das Drežanka-Tal bergauf ist wieder superschön und total ruhig. Im Café besteht ein Schreiner, der seit 1972 in Stuttgart lebt und seine Rente in seiner Heimat genießt, darauf meinen Kaffee zu bezahlen.

Es folgen 9 heftige Kilometer. Eine steile Schotterstraße, kein Schatten und bis zu 49 Grad Hitze. Wieder ist der Schotter oft lose und insbesondere in den Kurven zerfurcht. So schiebe ich einen Großteil der Strecke. Die Hitze macht mir sehr zu schaffen. Es wäre klug gewesen noch mindestens eine 1,5 Liter Flasche Wasser mitzunehmen. Zwei Liter sind bei der Hitze einfach zu wenig. Anstieg und Hitze bringen mich echt ans Limit!

Der Blidinje-See liegt schön inmitten der Berge. In der kargen Landschaft wachsen nur wenige Bäume. Auf etlichen Wiesen wird das Heu eingebracht und mit kleinen Treckern und LKW heimgebracht. Zu meiner Überraschung gibt es außer einem Campingplatz keine Infrastruktur an diesem Seeufer. Dabei brauche ich dringend Wasser! An einem Bahnhof bekomme ich endlich welches. Nach der relativen Kühle am See, wird es in der Abfahrt wieder spürbar wärmer. Landwirtschaft prägt das Bild. Dazwischen auch mal ein Steinbruch oder ein Baustoffhandel.

In Posušje bekomme ich für 15 € eine ganze Wohnung mit Klimaanlage und Waschmaschine. Rad und Kette kann ich im Hinterhof pflegen, sie haben es nötig.

Begin des Drežanka-Tals  Begin des Drežanka-Tals
Im Drežanka-Tal  Im Drežanka-Tal
Im Drežanka-Tal  Im Drežanka-Tal
Im Drežanka-Tal  Im Drežanka-Tal
Alter Friedhof im Drežanka-Tal  Alter Friedhof im Drežanka-Tal
Im Drežanka-Tal  Im Drežanka-Tal
Blidinje-Plateau  Blidinje-Plateau
Blidinje-See  Blidinje-See
Blidinje-See  Blidinje-See

Posušje – Međugorje, 86 km, 850 hm

Ein Naturjuwel wird zum "Disneyland"

Die Abfahrt auf der M6 ist so nicht so doll, bergauf würde ich sie nicht fahren wollen. Die Nebenstraße zum Koćuša-Wasserfall ist wieder attraktiv. Aber warum halten Reisebusse an diesem eher unspektakulären Ort. Mich beschleicht so eine Ahnung, dass die Nähe zu Mostar und der Autobahn Touristen in diese Gegend spülen. Und tatsächlich sind die Kravica-Wasserfälle das reinste "Disneyland". Es werden saftige 10 € Eintritt verlangt. Der große Parkplatz ist voller Autos und Reisebusse. Rund um den Wasserfall Buden, die Getränke und Speisen verkaufen. Als ob ein Festival stattfände. Und Menschenmassen. Nicht meins! Und doch, in all dem Trubel fallen mir blaue Libellen auf.

Die Trebižat-Stromschnellen wenige Kilometer südlich sind weit weniger spektakulär. Sie sind vielleicht einen halben Meter hoch. Zu beiden Seiten des Flusses ein Restaurant. Hier sind die Einheimischen. Treppen führen ins kalte Wasser. Hier ist es schön.

Günstige Unterkünfte gibt es nahe des Wallfahrtsortes Međugorje. Der Vermieter der Villa Meca (25 €) spricht Deutsch und empfängt mich mit Wassermelone und Mineralwasser. Von ihm erfahre ich, das sich die Kravica Wasserfälle in wenigen Jahren vom Geheimtipp zum Touristenmagneten entwickelt haben. Bei der Hitze ist eine Klimaanlage ein Segen.

Koćuša-Wasserfall  Koćuša-Wasserfall
Kravica-Wasserfälle  Kravica-Wasserfälle
Kravica-Wasserfälle  Kravica-Wasserfälle
Kravica-Wasserfälle  Kravica-Wasserfälle
Trebižat-Stromschnellen  Trebižat-Stromschnellen

Međugorje – Stolac, 81 km, 905 hm

Auf ruppigen Wegen ums Vogelschutzgebiet

Die Erzählung, sechs Jugendlichen wäre hier die Jungfrau Maria erschienen, lockt zahlreiche Pliger nach Međugorje. Die Reisebusse vor den zahlreichen großen Hotels kommen bevorzugt aus katholisch geprägten Ländern Süd- und Ost-Europas.

Durch eine trockene Hochebene mit Felsen, Büschen und gelben Blüten fahre ich nach Süden. Dann hinunter ins Tal der Neretva und auf einer kleinen Straße parallel zur Bahn nach Čapljina. Die kleine Stadt hat Charme, auch wenn sie nicht in dem Sinne schön ist.

In Počitelj1) stelle ich mein Rad oben ab und erkunde den attraktiven, alten Ort von oben nach unten. Den Kontrast zwischen der alten Architektur und der modernen Autobahnbrücke kann man mögen – muss man aber nicht. Es ist nicht viel los. Allerdings ist es schon wieder sehr warm. So packe ich mir zusätzlich zwei 1,5 Liter Flaschen Wasser aufs Rad.

Die Fahrt um das Vogelschutzgebiet Hutovo Blato2) fängt vielversprechend an. Die vielen Wasservögel sehe ich freilich nur aus der Ferne. Auch die riesige Schilffläche ist vor allem ein grünes "Meer". Der Schotterweg ist anfangs okay, wird aber bald immer ruppiger. Felsig mit steilen Anstiegen und ebensolchen Abfahren. Dornige Büsche ragen weit in den Weg hinein. Einige Abschnitte sind echt hart und es gibt Passagen, die ich schieben muss. Zwischendrin ist der Weg dann betoniert oder frisch abgeschoben. Tolle Strecke aber unerwartet anspruchsvoll. Auch die Ausblicke auf den See sind eher rar.

In Stolac komme ich bei "Grandma Fatima" unter. "Oma" ist ein Liebe, aber bevor ich ins Zimmer darf muss ich erstmal Füße und Beine waschen – na ja die sind schon wirklich dreckig😁 Schöner Wasserfall mitten im Ort. Der Nachteil an der intakten Natur sind die vielen Insekten. Leider sind das nämlich nicht nur Libellen und Schmetterlinge, sondern auch Mücken und Bremsen die regelmäßig an mein Blut wollen. Die juckenden Stiche nerven etwas.

1: Die Festung wurde 1444 erstmals erwähnt, die Moschee ab 1562 errichtet, der Uhrturm 1664 in Auftrag gegeben. Der Ort am linken Neretva-Ufer ist nur von schmalen, steilen Fußwegen erschlossen. Das Ortsbild ist in sich konsistent.

2: Hutovo Blato beherbergt über 160 Vogelarten und über 800 Pflanzenarten. 1995 wurden 74,11 km² des Sumpfgeländes, einschließlich umliegender Hügel, zum Naturpark erklärt. (Wikipedia)

Blick auf Počitelj   Blick auf Počitelj
In Počitelj   In Počitelj
Die Festung von Počitelj   Die Festung von Počitelj
Die Moschee von Počitelj   Die Moschee von Počitelj
Wasserfall in Stolac  Wasserfall in Stolac
Wasserfall in Stolac  Wasserfall in Stolac

Stolac - Blagaj, 92 km, 1460 hm

Touristenmagnet Buna-Quelle

Über Stolac thront eine Burg. Von unten ist sie schön anzuschauen, aus der Nähe macht sie nicht so viel her. Entlang des Flusses Bregava fahre ich nach Osten. Das enge Tal ist bewaldet. Am Fluss gibt zahlreiche Rastplätze, die schon am Morgen von Fischern genutzt werden.

Bei Berkovići biege ich auf eine gut fahrbare Schotterstraße ab. Durch eine sehr schöne, felsige Landschaft klettere ich hinauf in die Berge. Oben angekommen bestimmen Felsen, Gräser, Büsche und niedrige Bäume das Bild. Die Landschaft verändert sich ständig. Hier Wiesen, auf denen Heu gemacht wird, dort Nadelwald und dann Felsen und Büsche. Beim Umgang mit Müll ist noch "Luft nach oben". Es gibt eine funktionierende Müllabfuhr und viele Ecken sind einwandfrei sauber. Aber immer wieder wird auch Müll einfach die Hänge runtergekippt. Es ist schon ärgerlich einen stinkenden Müllhaufen zu erblicken, wenn man ein Bild der schönen Landschaft machen möchte.

Auf der Abfahrt Richtung Mostar wird es wieder spürbar wärmer. Bei fast 50 km/h werde ich von der heißen Luft geradezu geföhnt. Die Buna-Quelle1) und das Derwisch-Kloster in Blagaj sind, wie erwartet, ein Touristenmagnet. Um mit einem Schlauchboot für 2 Minuten in die Höhle zu fahren, werden 6 € verlangt. Die haben doch eine Meise. Oder auch nicht, denn die Besucher stehen Schlange. Den tollen Blick gibt es aber umsonst und der ist echt Extraklasse.

Schönes Zimmer mit Klimaanlage für 16 €. Kochen und Fahrrad putzen kann ich im Hof. Wasche täglich meine Klamotten und jeden Tag haben sie es nötig.

1: Die Vrelo Bune hat eine durchschnittliche Schüttung von 43 m³/s und gehört damit zu den stärksten Karstquellen Europas. Das 8 °C kalte Wasser strömt am Fuße einer 200 m hohen Felsenwand aus einer Karsthöhle. (Wikipedia)

Zwei kleine Trecker begegnen sich  Zwei kleine Trecker begegnen sich
Karstlandschaft mit Gräsern, Felsen und Büschen  Karstlandschaft mit Gräsern, Felsen und Büschen
Blick auf Odžak mit Kirche und Moschee  Blick auf Odžak mit Kirche und Moschee
Sehr trockene Karstlandschaft  Sehr trockene Karstlandschaft
Burg von Herceg Stjepan Vukcic Kosaca  Burg von Herceg Stjepan Vukcic Kosaca
Buna-Quelle in Blagaj  Buna-Quelle in Blagaj
Buna-Quelle in Blagaj  Buna-Quelle in Blagaj
Buna-Quelle in Blagaj  Buna-Quelle in Blagaj
Buna-Quelle in Blagaj  Buna-Quelle in Blagaj